Im August 2016 wurde das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zehn Jahre alt. Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes spricht sich für eine Reform des Gesetzes aus. Sie stützt sich dabei auf Ergebnisse eines unabhängigen Evaluierungsgremiums. Bestehende Schutzlücken sollen noch geschlossen werden, Fristen sollen verlängert werden. Derzeit muss ein Anspruch auf Schadensersatz oder Geldentschädigung innerhalb von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Eine Klage auf Entschädigung muss innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden. Ferner votiert die Antidiskriminierungsstelle für die Einführung eines Verbandsklagerechts.
Ein erfreuliches AGG-Urteil kam am 28. Juli 2016 vom Europäischen Gerichtshof aus Luxemburg in der Rechtssache Kratzer (C 423/15), wonach Scheinbewerbungen nicht unter den Schutzbereich des AGG fallen und Entschädigungsansprüche in diesem Fall wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen sind.
Sachverhalt der Entscheidung
Kläger war ein inzwischen bundesweit als AGG-Hopper bekannter Rechtsanwalt aus München. Dieser bewarb sich bei der R + V Versicherung im Frühjahr 2009 auf eine als "Trainee" ausgeschriebene Stelle. Die R + V schrieb mehrere Stellen für unterschiedliche Fachrichtungen aus, darunter auch für Jura. So hieß es u.a., dass ein "sehr guter Hochschulabschluss", der "nicht länger als ein Jahr" zurückliege oder "innerhalb der nächsten Monate" erfolge, Anforderung sei. Auf seine Bewerbung hin, in der der Anwalt seine beruflichen Qualitäten hervorhob, erhielt der Kläger etwa einen Monat später eine Absage. Hierauf antwortete der Kläger dann mit einem Schreiben, in dem er Ansprüche wegen Altersdiskriminierung gegen die Beklagte in Höhe von 14.000 Euro geltend machte.
Die Versicherung reagierte hierauf, in dem sie den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einlud und erklärte, die Absage habe auf einem Versehen beruht. Dies lehnte der Kläger mit der Begründung ab, erst nach Erfüllung der Entschädigungsansprüche über seine Zukunft im Unternehmen sprechen zu wollen. Als dieser dann noch erfuhr, dass die juristischen Trainee-Stellen ausschließlich mit weiblichen Kandidaten besetzt worden waren, machte er zudem Entschädigungsansprüche in Höhe von weiteren 3.500,- Euro wegen einer vermeintlich aufgrund seines Geschlechts erfolgten Diskriminierung geltend.
Im Jahr 2009 bewarb sich der Kläger zudem noch auf eine Vielzahl anderer Stellen bei anderen Unternehmen und machte Entschädigungsansprüche - zum Teil auch erfolgreich - nach dem AGG geltend.
Das BAG hat das vom Kläger in der Folge angestrengte Revisionsverfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob auch derjenige, der sich nur um den Status des Bewerbers im Sinne von § 6 Abs. 1, S. 2 AGG willen bei einem potentiellen Arbeitgeber bewirbt, ebenfalls den Schutz des dem AGG zugrundeliegenden Unionsrechts beanspruchen kann (Beschl. v. 18. Juni 2015, Az. 8 AZR 848/13). Falls dies bejaht würde, wollte das BAG zudem vom EuGH wissen, ob die alleinige Zielrichtung der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen einen Rechtsmissbrauch auch auf Ebene des Unionsrechts darstellt. Der EuGH urteilte wie oben beschrieben.
Praxishinweise
Arbeitgebern empfehlen wir dringend, Stellenausschreibungen so sorgfältig wie möglich zu erstellen, damit Scheinbewerber gar nicht erst angelockt werden. Bei Verdachtsfällen sollte man die Bewerber vorsichtshalber zum Vorstellungsgespräch einladen. Zudem ist dringend anzuraten, Bewerbungsunterlagen mindestens bis zum Ablauf der zweimonatigen Geltendmachungsfrist aufzubewahren, um im Prozess den Einwand der Scheinbewerbung bzw. die fehlende Bewerbereigenschaft mangels Ernsthaftigkeit führen zu können und sich auf Rechtsmissbrauch zu berufen.
In Diskriminierungsfragen stehen wir Ihnen von der Stellungsausschreibung bis zur Kündigung zur Seite, denn gerade auch im Kündigungsrecht (und v.a. im Kleinbetrieb !) gewinnt das AGG zunehmend an Bedeutung.