Das Thema Versetzung im Arbeitsrecht ist brandaktuell. Schon in seiner vom 13. Juni 2012, Az. 10 AZR 296/11, hatte sich das Bundesarbeitsgericht mit der Stationierung einer Purserette (Kabinenchefin) bei einer Fluggesellschaft und deren Versetzung zu beschäftigen.
Sachverhalt der Entscheidung
Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer Versetzung und einer hilfsweise ausgesprochenen Änderungskündigung. Die 1966 geborene Klägerin war verheiratet und hat zwei Kinder. Sie trat im Jahre 1990 als Purserette (Kabinenchefin) in die Dienste der S Fluggesellschaft mbH (im Folgenden: S GmbH). Die S GmbH war eine Tochtergesellschaft der Beklagten, die ein Bedarfsflugunternehmen mit über 2000 Arbeitnehmern an mehreren Standorten in Deutschland betreibt und ihren Hauptsitz in der Nähe von Frankfurt am Main hat.
Im Arbeitsvertrag der Klägerin vom 26. September 1990 hieß es u.a.: „Einsatzort ist grundsätzlich Frankfurt/Main. S. kann Frau ... auch vorübergehend oder auf Dauer auf einem anderen Flugzeugmuster, an einem anderen Ort sowie befristet bei einem anderen Unternehmen einsetzen.“ Die Klägerin wurde dann zunächst in Hannover stationiert. Die Beklagte plante dann den Stationierungsort Hannover aufzugeben.
Nach Beteiligung der Personalvertretung, die sich nicht äußerte, versetzte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 17. September 2009 mit Wirkung zum 1. Januar 2010 unter Beibehaltung ihrer bisherigen Funktion als Purserette von Hannover nach Frankfurt am Main. Hilfsweise kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum nächstmöglichen Termin unter gleichzeitigem Angebot der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem 1. April 2010 mit der Maßgabe, dass Stationierungsort nunmehr Frankfurt am Main sein solle. Dieses Angebot nahm die Klägerin unter Vorbehalt an.
Die Klägerin hat die Versetzung für unwirksam gehalten. Sie war der Ansicht, dass Hannover als Arbeitsort vertraglich vereinbart war. Das Weisungsrecht der Beklagten umfasse nicht die Befugnis, den Arbeitsort einseitig zu ändern. Die Vertragsklausel, auf die sich die Beklagte stütze, sei unwirksam. Sie verstoße gegen § 307 BGB. Die Änderungskündigung sei sozial ungerechtfertigt. Auch bei vollständiger Schließung des Stationierungsorts Hannover könne die Klägerin von dort aus eingesetzt werden, gegebenenfalls bei der Tochtergesellschaft B GmbH.
Die Beklagte verteidigte ihre unternehmerische Entscheidung, die Station Hannover zu schließen. Diese unternehmerische Entscheidung werde seit Januar 2010 auch umgesetzt. Seitdem würden keine Arbeitnehmer mehr von Hannover aus eingesetzt.
Aus den Entscheidungsgründen
Ist in einem Arbeitsvertrag festgelegt, dass der Einsatzort "grundsätzlich" in einer bestimmten Stadt sei, dass der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin "auch vorübergehend oder auf Dauer … an einem anderen Ort … einsetzen" kann, ist damit hinreichend klargestellt, dass die Bestimmung des Einsatzorts im Vertrag lediglich die erstmalige Ausübung des Weisungsrechts in Bezug auf den Arbeitsort enthält.
Es ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass Arbeitspflichten sich, ohne dass darüber ausdrückliche Erklärungen ausgetauscht werden, nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren. Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schafft aber regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen will.
Legt der Arbeitsvertrag den Ort der Arbeitsleistung nicht fest, so unterliegt ein zusätzlich im Arbeitsvertrag enthaltener Versetzungsvorbehalt keiner gesonderten Inhaltskontrolle. Die Grenzen des Weisungsrechts ergeben sich in diesem Fall unmittelbar aus § 106 GewO. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit.
Solange eine unbefristete vertragsgemäße Weiterbeschäftigung beim bisherigen Arbeitgeber möglich ist, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine befristete Beschäftigung bei einem anderen Unternehmen zuzuweisen.
Praxishinweise
Flexibilität im Arbeitsleben ist wichtiger denn je. Die Grundlagen legt hier bereits der Arbeitsvertrag. Dort sollte der Arbeitgeber wirksame Versetzungsvorbehalte vereinbaren.
Auch nach längerer Zeit der Nichtausübung können Arbeitgeber von ihrem Direktionsrecht Gebrauch machen. Arbeitnehmer haben grundsätzlich keinen Anspruch auf den Status quo. Bei der Ermittlung der Arbeitnehmerinteressen bei einer Versetzung sind nach der Rechtsprechung neben den grundsätzlichen Kriterien der Sozialauswahl insbesondere familiäre Bindungen und Pflichten am Arbeitsort, Elternzeit, Vermögens- und Einkommensverhältnisse zu beachten. Anders als bei der Sozialauswahl gilt damit bei der Versetzung kein festes (und somit rechtssicheres) Schema, erforderlich ist eine Einzelfallprüfung. Hierzu beraten wir Sie gerne.
Ein Arbeitnehmer kann gegen die Versetzung gerichtlich vorgehen und auf Beschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen klagen. Nach der Rechtsprechung des BAG muss der Mitarbeiter einer Versetzung allerdings solange folgen, bis ein Urteil erstritten ist, selbst wenn die Versetzung unbillig sein sollte. Der einstweilige Rechtsschutz gegen die Versetzung wird wegen Vorwegnahme der Hauptsache nur selten durch die Gerichte gewährt.
Verweigert der Arbeitnehmer sich der Versetzung schlichtweg, kann er im Einzelfall abgemahnt oder ggf. sogar aus verhaltensbedingten Gründen wegen Arbeitsverweigerung gekündigt werden. Er muss zudem damit rechnen, dass er keinen Lohn für den Zeitraum erhält, indem er es böswillig unterlässt, seine Arbeitsleistung zu erbringen (§ 615 Satz 2 BGB). Auch unbillige Weisungen muss der Arbeitnehmer erst einmal befolgen. Es ist an ihm, eine gerichtliche Klärung herbeizuführen.
Ist im Betrieb ein Betriebsrat vorhanden, sind ggf. Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu beachten, andernfalls ist die Versetzung unwirksam. Auch hierzu beraten wir Sie im Einzelfall gerne.