Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 20. September 2017, Az. 6 AZR 58/16, entschieden, dass der Insolvenzverwalter Ratenzahlungen des Insolvenzschuldners an einen Arbeitnehmer auch dann zur Masse zurückfordern kann, wenn der Zwangsvollstreckungsauftrag des Arbeitnehmers und die Ratenvereinbarung mit der Gerichtsvollzieherin weit vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind.

Sachverhalt

Der Beklagte war bis zum 03.05.2010 bei dem Insolvenzschuldner als Fahrer beschäftigt. Das ArbG Aachen verurteilte den Schuldner mit Urteil vom 11.01.2011, an den Beklagten rückständiges Entgelt für März bis Mai 2010 von 3.071,42 Euro zu zahlen. Am 21.09.2011 erteilte der Beklagte den Auftrag, aus dem Urteil die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Die Gerichtsvollzieherin schloss mit dem Schuldner eine Ratenzahlungsvereinbarung. Die letzten Raten von insgesamt 1.737,44 Euro wurden am 29.05.2012 und 04.07.2012 gezahlt.

Am 30.07.2012 wurde Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Insolvenzschuldners gestellt. Am 16.10.2012 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser focht die letzten Ratenzahlungen nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO an. Der Beklagte machte geltend, er habe den Zwangsvollstreckungsauftrag vor der kritischen Zeit erteilt. Die angefochtenen Zahlungen seien darum nicht unter dem Druck der unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erfolgt.

Die Vorinstanzen hatten der Klage stattgegeben. Das BAG hat die Revision abgewiesen.

Aus den Gründen

Erhalte der Arbeitnehmer in der sog. "kritischen Zeit", d.h. in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung oder in der Zeit danach, Zahlungen des Arbeitgebers, die nicht in der geschuldeten Art erfolgen (inkongruente Deckung), könne der Insolvenzverwalter die Zahlungen nach Maßgabe des § 131 InsO zur Masse zurückfordern (Insolvenzanfechtung).

Der Arbeitnehmer könne in der kritischen Zeit, d.h. in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung oder in der Zeit danach, keine Leistung unter Einsatz hoheitlichen Zwanges beanspruchen, durch den er auf das zur Befriedigung aller Gläubiger unzureichende Vermögen des späteren Insolvenzschuldners zugreife und andere Gläubiger zurücksetze. Zahlungen, die er im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetze oder die der Arbeitgeber erbringe, um die unmittelbar bevorstehende Zwangsvollstreckung abzuwenden (Druckzahlungen), seien deshalb inkongruent.

Schließe der vom Arbeitnehmer mit der Zwangsvollstreckung beauftragte Gerichtsvollzieher vor der kritischen Zeit eine Ratenzahlungsvereinbarung nach § 802b ZPO (bis zum 31.12.2012: § 806b ZPO), seien die darauf erfolgenden Teilzahlungen selbstständig anfechtbar.

Nach Auffassung des BAG musste der Schuldner im vorliegenden Fall, auch wenn der Vollstreckungsauftrag vor der kritischen Zeit erteilt worden war, damit rechnen, dass der Beklagte sein Einverständnis mit der Zahlungsvereinbarung widerrufen und die Zwangsvollstreckung fortsetzen wird, wenn er die Raten nicht pünktlich zahlt. Das habe den fortbestehenden Vollstreckungsdruck und damit die Inkongruenz der Zahlungen begründet.

Quelle: Pressemitteilung des BAG Nr. 38/2017 v. 20.09.2017

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