Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich am 15. Juni 2016 in seinem Urteil (Az. VIII ZR 134/15) mit der Frage befasst, ob beim Kauf eines Gebrauchtwagens das Fehlen einer nach den Angaben des Verkäufers noch laufenden Herstellergarantie einen Sachmangel darstellt, der den Käufer zum Rücktritt berechtigen kann.

Sachverhalt der Entscheidung:

Der Kläger kaufte vom Beklagten, einem Kraftfahrzeughändler, einen Gebrauchtwagen, den dieser zuvor im Internet zum Verkauf angeboten und dort mit einer noch mehr als ein Jahr laufenden Herstellergarantie beworben hatte. Kurz nach dem Kauf mussten infolge von Motorproblemen Reparaturen durchgeführt werden, die für den Kläger aufgrund der Herstellergarantie zunächst kostenfrei blieben. Später verweigerte der Hersteller mit der Begründung, im Rahmen einer Motoranalyse seien Anzeichen für eine Manipulation des Kilometerstandes festgestellt worden, weitere Garantieleistungen. Die Kosten der bereits durchgeführten Reparaturleistungen und des während der letzten Reparatur zur Verfügung gestellten Ersatzfahrzeugs wurden dem Kläger nunmehr teilweise in Rechnung gestellt. Daraufhin trat dieser unter Verweis auf die fehlende Herstellergarantie vom Kaufvertrag zurück und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises sowie den Ersatz der ihm entstandenen Aufwendungen.

Prozessverlauf

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Landgericht und das Oberlandesgericht gingen davon aus, dass es sich bei der Herstellergarantie nicht um ein Beschaffenheitsmerkmal des Kraftfahrzeugs, sondern lediglich um eine rechtliche Beziehung außerhalb der Kaufsache, nämlich zwischen Hersteller und Fahrzeughalter, handle. Deshalb könne das Fehlen einer solchen Garantie, auch wenn sie vom Verkäufer zugesagt oder beworben worden sei, von vornherein nicht einen für einen Rücktritt erforderlichen Sachmangel begründen.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH hat nunmehr entschieden, dass - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - seit der im Jahre 2001 erfolgten Modernisierung des Schuldrechts ein wesentlich weiterer Beschaffenheitsbegriff gilt und daher das Bestehen einer Herstellergarantie für ein Kraftfahrzeug ein Beschaffenheitsmerkmal der Kaufsache nach allen Tatbestandsvarianten des § 434 Abs. 1 BGB darstellt. Der BGH hat seit der Schuldrechtsmodernisierung bereits mehrfach entschieden, dass als Beschaffenheitsmerkmale einer Kaufsache nicht nur die Faktoren anzusehen sind, die ihr selbst unmittelbar anhaften, sondern vielmehr auch all jene Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben.

Das Bestehen einer Herstellergarantie für ein Kraftfahrzeug erfüllt diese Voraussetzungen. Ihr kommt beim Autokauf regelmäßig sogar ein erhebliches wirtschaftliches Gewicht zu. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen kann das Fehlen der beworbenen Herstellergarantie deshalb - bei Vorliegen der weiteren, vom Berufungsgericht nicht geprüften Voraussetzungen des § 434 Abs. 1 BGB - auch im vorliegenden Fall einen Mangel des verkauften Gebrauchtwagens begründen und den Kläger zum Rücktritt berechtigen.

Der Senat hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit die erforderlichen weiteren Feststellungen getroffen werden können.

Praxishinweise

Im System des kaufvertraglichen Gewährleistungsrechts nimmt der Mangelbegriff eine herausragende Stellung ein. Das Vorliegen eines Mangels entscheidet darüber, ob der Käufer die in § 437 BGB genannten Sekundäransprüche (Rücktritt, Minderung, Schadenersatz, Ersatz vergeblicher Aufwendungen) geltend machen kann. Verkäufer sollten daher anhand des Urteils überlegen, ob die von ihm versprochenen Leistungen eine Beschaffenheit darstellen. Wenn dies zu bejahen ist, hat der Käufer bei Fehlen der Beschaffenheit die o.g. Rechte, wenn die weiteren im Gesetz genannten Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen.

Im Kaufrecht stehen wir Ihnen sowohl als Käufer als auch als Verkäufer mit Rat und Tat zur Seite!


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