Aktualisierte Dienstanweisung zu § 159 SGB III

Selbst trennungswillige Arbeitnehmer sind aufgrund einer drohenden zwölfwöchigen Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I (ALG I) in der Regel nicht bereit, einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Die Entscheidung über eine Sperrzeit ist eine gebundene Entscheidung, keine Ermessensentscheidung der Behörde. Eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe ist deshalb besonders hart, weil sich dadurch die Bezugsdauer des ALG I insgesamt verkürzt.

Eine Sperrzeit ist vermeidbar, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Bei dem Begriff des „wichtigen Grundes“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gesetzlich nicht definiert ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liegt ein solcher vor, wenn bei verständiger Abwägung der Interessen der Versichertengemeinschaft dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar war, weil sonst seine Interessen in unbilliger Weise geschädigt würden.

Dienstanweisungen der Agentur für Arbeit

Um den Agenturen für Arbeit die Prüfung des „wichtigen Grundes“ zu erleichtern und die Gleichmäßigkeit der Verwaltungspraxis sicherzustellen, hat die zentrale Bundesagentur für Arbeit zu diversen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften ausführliche Dienstanweisungen erlassen. Diese Dienstanweisungen werden regelmäßig aktualisiert. Die hier einschlägige Dienstanweisung zu § 159 SGB III ist zuletzt am 25. Januar 2017 aktualisiert worden und hat den Anwendungsbereich des wichtigen Grundes bei Aufhebungsverträgen erheblich erweitert.

Bisherige Rechtslage

Aufhebungsverträge waren nach bisheriger Rechtslage nur dann sperrzeitfrei, wenn dem Arbeitnehmer zuvor eine betriebsbedingte Kündigung in Aussicht gestellt worden war und das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung durch den Arbeitgeber jedenfalls nicht vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist beendet worden wäre. Zudem durfte der Arbeitnehmer nicht unkündbar sein und die Kündigung hätte sich bei ordnungsgemäßer Sozialauswahl zudem als sozial gerechtfertigt erweisen müssen. Auf die soziale Rechtfertigung einer hypothetischen Kündigung kam es nach der alten Dienstanweisung aber nicht an, wenn bei Wahrung der übrigen Voraussetzungen an den Arbeitnehmer eine Abfindung von mindestens einem viertel Bruttomonatsgehalt, nicht aber mehr als einem halben Bruttomonatsgehalt je Beschäftigungsjahr gezahlt wurde.

Bei höheren Abfindungszahlungen sei die Kündigung wohl offensichtlich rechtswidrig gewesen; bei geringeren Beträgen habe der Arbeitnehmer wohl doch Grund zur Anlass einer Kündigung gegeben. Die Dienstanweisung ließ personenbedingte Gründe nur ausreichen, wenn der Arbeitnehmer die Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben konnte, wofür der Nachweis durch ärztliches Attest erforderlich war.

Neue Rechtslage

Die jüngste Aktualisierung weicht nun hiervon ab und führt zusammenfassend aus, dass ein

 
„wichtiger Grund bei Eigenlösung des Beschäftigungsverhältnisses und gleichzeitig drohender Arbeitgeberkündigung (…) auch vorliegt, wenn die drohende Arbeitgeberkündigung auf personenbezogene (nicht aber verhaltensbedingte) Gründe gestützt würde. Zudem wird an der Untergrenze von 0,25 Monatsgehältern im Zusammenhang mit der Zahlung einer Abfindung (…) nicht mehr festgehalten.“

Ein wichtiger Grund, der einen Aufhebungsvertrag rechtfertigt, liegt daher nunmehr vor, wenn

  • eine Kündigung durch den Arbeitgeber mit Bestimmtheit in Aussicht gestellt worden ist,
  • die drohende Arbeitgeberkündigung auf betriebliche oder personenbezogene (nicht aber verhaltensbedingte) Gründe gestützt würde
  • im Falle der Arbeitgeberkündigung die Kündigungsfrist eingehalten würde,
  • der Arbeitnehmer nicht unkündbar war und
  • in Anlehnung an § 1 a KSchG eine Abfindung von bis zu 0,5 Monatsgehältern für jedes Jahr des Arbeitsverhältnisses an den Arbeitnehmer gezahlt wird.

Wird eine Abfindung in Höhe bis zu einem halben Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr gezahlt, kommt es nicht (mehr) darauf an, ob die drohende Arbeitgeberkündigung rechtmäßig ist. Wird jedoch eine höhere Abfindung gezahlt, kommt es (weiterhin) darauf an, ob die drohende Kündigung rechtmäßig wäre. Dazu ist wie bisher die komplette Prüfung der sozialen Rechtfertigung, insbesondere der Sozialauswahl, durch die Agentur für Arbeit erforderlich.

Praxistipp

Nach Aktualisierung der Dienstanweisung können auch aus Arbeitnehmersicht mehr Aufhebungsverträge geschlossen werden, die zu keiner Sperrzeit führen. Sperrzeitfreie Aufhebungsverträge zur Vermeidung von krankheitsbedingten Kündigungen sind ebenso möglich wie Aufhebungsverträge aus betrieblichen Gründen ohne Abfindungszahlung. Sollen wir für Sie als Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag ausarbeiten, der keine Sperrzeit auslöst, oder bietet Ihnen Ihr Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag an, berät Sie hierzu gerne Frau Rechtsanwältin Nadine Kanis.


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