Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen versuchter schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit versuchtem Versicherungsbetrug und wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt, hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

 

Nach den Feststellungen gewann der Beschwerdeführer die beiden Mitangeklagten S. und P. dafür, in der von ihm in einem Wohnhaus betriebenen Gaststätte "Bistro-Imbiss Pi." einen Einbruchsdiebstahl vorzutäuschen und dabei einen Brand zu legen. Am Abend des 29. Dezember 1990 besprach der Angeklagte in seiner Gaststätte zunächst mit den beiden Mitangeklagten und, nachdem diese drei weitere Mittäter hinzugezogen hatten, mit allen fünf Männern die Tatbegehung.

Danach begab der Beschwerdeführer sich in die Diskothek "F.", um sich ein Alibi zu verschaffen. Die fünf anderen Beteiligten täuschten in derselben Nacht durch Zerstörungen an der Einrichtung und den Abtransport von Waren einen Einbruchsdiebstahl in die Gaststätte vor und legten dort einen Brand. Dieser konnte, bevor er Gebäudeteile erfasst hatte, durch die Feuerwehr gelöscht werden. Alle sechs Beteiligten trafen sich anschließend in der Diskothek "F.". Der Beschwerdeführer machte plangemäß den Einbruchs- und Brandschaden bei seiner Versicherung geltend, die eine Abschlagszahlung leistete.

Verfahrensgang

Der Verteidiger hat in der Hauptverhandlung beantragt, "zum Beweis der Tatsache, dass der Angeklagte mit den Mitangeklagten S. und P. am Abend des 29.12.1990 in dem Imbiss 'Pi.' keine Absprachen in Bezug auf die Begehung strafbarer Handlungen - wie im Anklagesatz vorgeworfen - getroffen hat," die Zeugen A., G. und Sh. zu hören. Zudem hat die Verteidigung beantragt, "zum Beweis der Tatsache, dass sich der Angeklagte in der Nacht vom 29. auf den 30. Dezember 1990 nicht in der Gaststätte 'F.' aufgehalten und dort die Mitangeklagten S. und P. getroffen hat," die Zeugin W. zu hören. Die Strafkammer hat die Anträge jeweils mit der - näher ausgeführten - Begründung abgelehnt, dass die Zeugen A., G. und W. völlig ungeeignete Beweismittel seien und dass der Antrag auf Vernehmung des Zeugen Sh. ein Beweisermittlungsantrag sei.

Aus den Entscheidungsgründen

Der BGH kam zu dem Urteil, dass die Ablehnung der Anträge nicht zu beanstanden sei. Die Anträge seien keine Beweisanträge, sondern nur sog. Beweisermittlungsanträge, denen die Strafkammer teils nicht nachzugehen brauchte. Ein Beweisantrag muss bestimmte Beweistatsachen bezeichnen. Wird ein Zeuge als Beweismittel benannt, müssen diese Beweistatsachen dem Zeugenbeweis zugänglich sein. Ein Zeuge kann grundsätzlich nur über seine eigenen Wahrnehmungen vernommen werden.

Gegenstand des Zeugenbeweises können nur solche Umstände oder Geschehnisse sein, die mit dem benannten Beweismittel unmittelbar bewiesen werden sollen. Soll aus den Wahrnehmungen des Zeugen auf ein bestimmtes weiteres Geschehen geschlossen werden, ist nicht dieses weitere Geschehen, sondern nur die Wahrnehmung des Zeugen tauglicher Gegenstand des Zeugenbeweises. Die Schlüsse aus den Wahrnehmungen des Zeugen hat das Gericht zu ziehen. Für einen Beweisantrag auf Zeugenvernehmung ist die Angabe dessen unverzichtbar, was der Zeuge im Kern bekunden soll.

Die Beweistatsache ist von dem weiteren Beweisgewinn zu unterscheiden, den der Antragsteller von dem begehrten Zeugenbeweis erhofft. Dies ist des Antragstellers Beweisziel, zu dem der Tatrichter aufgrund von Schlüssen aus der Beweistatsache möglicherweise gelangen kann. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof in den Behauptungen, dass jemand "keine Kokainlieferungen" an den Angeklagten geleistet habe, dass „ausschließlich Beschäftigungsverhältnisse eines bestimmten Typs“ vorgelegen hätten, dass jemand Bargeld "von unter 250.000 DM zur Verfügung" gehabt, keine hinreichend bestimmten Beweistatsachen gefunden. Bei Werturteilen hat die Rechtsprechung in vergleichbarer Weise darauf abgestellt, dass die Angabe von bloßen Wertungen wie denen, dass jemand "unglaubwürdig", "verhaltensgestört", "süchtig" oder "angeheitert" sei, die Behauptung derjenigen Tatsachen nicht ersetzen kann, an die die betreffende Wertung sich möglicherweise knüpfen lässt.

Diese Grundsätze gelten in besonderem Maße, wenn der Antragsteller behauptet, dass bestimmte Ereignisse nicht stattgefunden hätten. In derartigen Fällen wird ein Zeuge nur selten unmittelbar die behauptete Negativtatsache bekunden können. Vielmehr wird der Zeuge meist nur angeben können, bestimmte Geschehnisse wahrgenommen oder nicht wahrgenommen zu haben, wobei erst diese Bekundungen auf der Grundlage des bisherigen Beweisergebnisses möglicherweise den Schluss erlauben, ob ein bestimmtes Ereignis stattgefunden oder nicht stattgefunden hat.

Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt hier folgendes: In keinem der Anträge ist angegeben, was Gegenstand der Wahrnehmung und der Bekundung der jeweiligen Zeugen sein soll. Es sind vielmehr nur die jeweiligen Beweisziele benannt worden, deren Erreichung der Antragsteller erhoffte. Danach sind die gestellten Anträge keine Beweisanträge. Bezüglich der Zeugen A., G. und Sh. hätte es der Behauptung von Tatsachen bedurft, die die Zeugen unmittelbar wahrgenommen haben und aus denen das Gericht hätte schließen können, Absprachen in Bezug auf die Begehung von Straftaten hätten nicht stattgefunden.

Für den Antrag auf Vernehmung der Zeugin W. gilt ähnliches. Auch hier hätten die Tatsachen angegeben werden müssen, die die Zeugin unmittelbar wahrgenommen hat. Dies hätte beispielsweise die Tatsache sein können, dass sie mit dem Angeklagten zusammen sich zur fraglichen Zeit an einer anderen Stelle aufgehalten hat oder dass sie zur fraglichen Zeit in der Diskothek "F." war und dort den ihr bekannten Angeklagten nicht gesehen hat, obwohl nach den von der Zeugin zu bekundenden Umständen ihr die Anwesenheit des Angeklagten nicht entgehen konnte.

Praxishinweise

Der zentrale Bestandteil einer strafrechtlichen Hauptverhandlung ist die Beweisaufnahme. Hier werden Zeugen vernommen, Sachverständige erstatten ihr Guthaben und werden befragt, Schriftstücke werden verlesen usw. Der Verteidiger kann den Umfang der Beweisaufnahme beeinflussen und den Verfahrensausgang durch sog. Beweisanträge beeinflussen. Die Konzeption und richtige Formulierung von Beweisanträgen ist die „hohe Kunst“ des Verteidigerhandelns, denn die Gerichte sind oftmals bestrebt, Beweisanträge abzulehnen. Aus unserer Kanzlei steht Ihnen im Strafrecht Frau Rechtsanwältin Nadine Kanis engagiert zur Seite!


© 2024 Dr. Exner Rechtsanwälte
Design & Umsetzung von Get Up Media