Der Täter-Opfer-Ausgleich im Strafrecht soll der Wiedergutmachung der Tat dienen und kann dem Verurteilten eine erhebliche Strafmilderung einbringen. Hat er das Opfer aber getötet, hilft ihm auch keine Zahlung an die Hinterbliebenen, so der BGH mit Beschluss vom 06.06.2018, Az. 4 StR 144/18.

Hintergrund der Entscheidung war der Fall eines Lkw-Fahrers, der sich bei der Fahrt von seinem Handy ablenken ließ und einen 82-jährigen Mann auf einem beleuchteten Pedelec übersah und anfuhr. Obwohl er bemerkt hatte, dass er einen Menschen erfasst und womöglich schwer verletzt hatte, fuhr er weiter, um möglichen strafrechtlichen Konsequenzen zu entgehen. Er verständigte weder einen Notarzt noch rief er sonst jemanden zur Hilfe, der alte Mann starb kurz darauf an seinen schweren Verletzungen.

Weil er in Kauf genommen hatte, ihn sterben zu lassen, um einer möglichen Strafverfolgung zu entkommen, wurde der Mann zum einen wegen versuchten Mordes - versucht, weil der alte Mann auch bei einem sofortigen Hilferuf nicht mehr hätte gerettet werden können -, zum anderen wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt.

Täter zahlte 25.000 Euro an Hinterbliebene

Der Lkw-Fahrer legte Revision gegen das Urteil des Landgerichts ein, weil es verweigert hatte, einen Täter-Opfer-Ausgleich anzuerkennen. Dieser sieht vor, dass der Täter sich gegenüber dem Opfer unter erheblichem Aufwand darum bemühen muss, die Folgen seiner Tat wieder gut zu machen. Gemäß § 46 a StGB kann seine Strafe dann gemildert, oder, bei leichteren Delikten, auch ganz erlassen werden.

Er hatte als Ausgleich der Tochter sowie der Frau des Verstorbenen zusammen 25.000 Euro gezahlt. Die Zahlung wollte er nun vom Gericht als Wiedergutmachung anerkannt haben. Dieses bezog sie auch in die Strafzumessung im engeren Sinne mit ein, berücksichtigte sie also innerhalb seines Spielraums, ein Strafmaß zu finden. Es erkannte die Zahlung aber nicht als Täter-Opfer-Ausgleich an, was zu einer gesetzlich normierten Milderung nach § 49 StGB geführt hätte.

Der 4. Strafsenat in Karlsruhe verwarf nun die Revision gegen das Urteil, da ein Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46 a StGB nicht bei einem vollendeten Tötungsdelikt in Betracht komme. Vielmehr setzt die Vorschrift in den Augen der Richter schon begrifflich voraus, dass Verletzter und Opfer ein und dieselbe Person sind, da die Begriffe dort synonym verwendet werden. So heißt es dort: "(...) in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) (...)". Ein Ausgleich gegenüber den Hinterbliebenen entspreche zudem nicht dem Willen des Gesetzgebers, wie aus den Gesetzesmaterialien klar ersichtlich sei, betonte der BGH.

BGH fordert direkten Kontakt mit Opfer

Die Verteidigung hatte sich u. a. auf die Vorschriften der § 395 Abs. 2 StPO und § 844 Abs. 3 BGB berufen. Ersterer gewährt u. a. Angehörigen von Getöteten ein Nebenklagerecht im Strafprozess, die BGB-Vorschrift regelt Ersatzansprüche Dritter bei einer Tötung. Diese Verweise überzeugten den Strafsenat des BGH aber nicht, schließlich gehe es hier um prozessuale Befugnisse oder zivilrechtliche Ansprüche, aber gerade nicht um eine Strafmilderung für den Täter.

Schließlich, so der BGH, sei es auch nicht Sinn und Zweck des Täter-Opfer-Ausgleichs, dem Täter eine Strafmilderung durch eine Leistung an Angehörige zu verschaffen. Er verlange vielmehr "einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer" zum Ausgleich der durch die Tat verursachten Folgen. Unverzichtbar sei dabei, "dass das Opfer die Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert". Mit Blick auf die Unbestimmtheit des Kreises der möglichen Ausgleichsadressaten im Einzelfall komme daher nur ein direkter Kontakt zwischen Täter und Opfer der Straftat in Betracht.

Praxishinweise

Die Unterscheidung, ob eine Strafmilderung über den Täter-Opfer-Ausgleich oder die Zumessung innerhalb des normalen Strafrahmens erfolge, ist in der Praxis von ganz erheblicher Bedeutung. § 46a verweist auf § 49 Abs. 1 StGB, der eine Absenkung des Strafrahmens, aus dem das Gericht schöpfen darf, oder sogar ein komplettes Absehen von Strafe ermöglicht.

Für Fragen zum Täter-Opfer-Ausgleich sowie im gesamten Strafrecht steht Ihnen aus unserer Kanzlei Frau Rechtsanwältin Nadine Kanis engagiert zur Seite!


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