Der BGH hebt mit seinem Urteil vom 04.12.2018, Az. 4 StR 319/18, eine Entscheidung des LG Paderborn auf, das sowohl in objektiver Hinsicht (Zahlungsunfähigkeit bei Insolvenzverschleppung) als auch auf subjektiver Tatseite der rechtlichen Nachprüfung nicht standhält.
Sachverhalt der Entscheidung
Der Angeklagte war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der A-GmbH (A). Gegenüber einem ihrer Hauptlieferanten H entstanden im Laufe des Jahres 2010 Verbindlichkeiten in Höhe von 2,2 Mio. Euro, welche die A mangels Liquidität nicht bedienen konnte. Der Angeklagte bat H erfolgreich um Stundung bis zum 30.09.2010. Danach forderte H die A wieder zur Zahlung auf. Zur Liquiditätslage der A hat das LG festgestellt, dass das Unternehmen jedenfalls im Tatzeitraum vom 30.09. bis zum 26.11.2010 nicht in der Lage war, mindestens 90% der fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen. Am 21.04.2011 stellte H schließlieh einen Insolvenzantrag, in dessen Folge das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Revision des Angeklagten, die sich gegen die Verurteilung wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung richtet, hat vor dem BGH Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen
Zum einen hält die Annahme von Zahlungsunfähigkeit der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das LG stellte die Zahlungsunfähigkeit durch die betriebswirtschaftliche Methode fest. Diese setzt eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der zu ihrer Tilgung vorhandenen Mittel andererseits voraus. Zur Abgrenzung von der bloßen Zahlungsstockung ist diese Methode um eine Prognose über die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit zu ergänzen, was durch eine Finanzplanrechnung geschieht. Wird die betriebswirtschaftliche Methode gewählt, muss die Darstellung der Liquiditätslage zu ausgewählten Stichtagen so aussagekräftig sein, dass dem Revisionsgericht die Kontrolle möglich ist, ob das LG von zutreffenden Voraussetzungen ausgegangen und einen nachvollziehbaren Rechenweg gewählt hat.
Aus den Ausführungen des Sachverständigen, auf die sich das Urteil bezieht, ergibt sich jedoch keine nachvollziehbare stichtagsbezogene Bewertung der Liquiditätslage. So bleibt bereits unklar, auf welcher tatsächlichen Grundlage die Liquiditätslage überhaupt bewertet wurde. Nähere Ausführungen zu den Aktiva und Passiva fehlen. Zudem wurden die Forderungen der H am 30.09.2010 berücksichtigt, obwohl gestundete Forderungen bei der Berechnung der Liquiditätslücke nicht berücksichtigt werden dürfen. Im Übrigen wird in den Urteilsgründen für kein weiteres Datum im Tatzeitraum überhaupt ein konkreter Deckungsgrad benannt, sondern pauschal die jeweilige Nichterreichung bis 26.11.2011 festgestellt. Dies genügt keinesfalls den Darstellungsanforderungen.
Auch tragen die Feststellungen die Annahme von Vorsatz nicht. Im Rahmen von § 15 a InsO muss der Täter es zumindest für möglich halten und in Kauf nehmen, dass die wirtschaftliche Situation des betroffenen Unternehmens durch den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zur Stellung eines Eröffnungsantrags verpflichtet. Festgestellt ist vorliegend lediglich, dass dem Angeklagten bekannt war, dass der A innerhalb absehbarer Zeit „keine weiteren liquiden Mittel zu fließen würden". Dies entspricht jedoch nicht der Kenntnis vom Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit, da eine solche nicht zwingend mit dem fehlenden Zufluss liquider Mittel einhergeht, sondern sich erst aus einer Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva ergibt.
Gerade die Ausführungen des BGH zum Vorsatz sind erfreulich, weil dieser in der Praxis oftmals einfach unterstellt wird. Im Strafrecht berät und vertritt Sie engagiert aus unserer Kanzlei Frau Rechtsanwältin Nadine Kanis!