Die Polizei hat Sie als Beschuldigten wegen eines Strafvorwurfs zur Vernehmung vorgeladen. Was sollten Sie tun?

Als Beschuldigter einer Straftat steht es Ihnen frei, Angaben zur Sache zu machen oder nicht. Machen Sie keine Angaben zur Sache, darf dies nicht zu Ihrem Nachteil verwertet werden. Dieses Recht sollten Sie nutzen. Ein Verteidiger wird zunächst Akteneinsicht beantragen und hiernach mit Ihnen zusammen entscheiden, ob es sachdienlich ist, Angaben zur Sache zu machen.

Nach Akteneinsicht kann ein Verteidiger für Sie eine Verteidigungsschrift abgeben. Im Ermittlungsverfahren versuchen Verteidiger, das Verfahren zur Einstellung zu bringen oder Möglichkeiten auszuloten, mit denen eine Anklage verhindert werden kann. Dazu werden Verteidigungsschriften abgegeben, die naturgemäß auf Angaben des Beschuldigten beruhen. Scheitern die Bemühungen der Verteidigung und hält der Angeklagte die Verweigerung einer Sacheinlassung für die angezeigte Verteidigungstaktik, so ist fraglich, ob diese frühere Verteidigungsschrift dem Beschuldigten als dessen Einlassung zur Sache zugerechnet werden darf und wie diese in das Verfahren einzuführen ist.

Hiermit beschäftigt sich ein aktueller Fall des OLG Koblenz vom 12. Mai 2016, Az. 2 OLG 4 Ss 54/16 und kommt zu folgendem Schluss:

"1. Schriftliche Erklärungen, die der Angeklagte im anhängigen Verfahren zu der gegen ihn erhobenen Beschuldigung abgibt, können verlesen werden, selbst wenn er später Angaben verweigert.
2. Hat er sich gegenüber einer anderen Person geäußert und diese die Äußerung schriftlich festgehalten, so handelt es sich bei der Wiedergabe um die Erklärung dieser Person; geht es um die Feststellung, ob der Angeklagte das schriftlich Niedergelegte geäußert hat, so ist die niederschreibende Person über ihre Wahrnehmung bei der Unterredung mit dem Angeklagten zu vernehmen. Nichts anderes gilt, wenn die niederschreibende Person der Verteidiger ist."

Gegenstand der Entscheidung und Verfahrensverlauf

Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, ohne Kenntnis und Billigung des Forstamtes Holz im Wert von 3.235 Euro geschlagen zu haben, um es für eigene Zwecke zu verwenden. Im Ermittlungsverfahren hatte der Verteidiger für den Beschuldigten in einem Schreiben an das Forstamt erklärt, dieser bedaure den Vorfall zutiefst und wolle sich für sein Verhalten entschuldigen. Er habe den Verteidiger gebeten zu eruieren, inwieweit man an einem Täter-Opfer-Ausgleich bereit sei. In einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft teilte der Verteidiger „namens und im Auftrag des Beschuldigten“ mit, dass dieser die Tatbegehung dem Grunde nach nicht bestreite. Der Beschuldigte hatte sich im Ermittlungsverfahren nicht eingelassen und auch in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht und im Berufungsverfahren vor dem Landgericht geschwiegen.

Nachdem das Amtsgericht ihn aus Mangel an Beweisen freigesprochen hatte, verurteilte ihn das Landgericht auf Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe. Seiner Beweiswürdigung legte das Landgericht die Schriftsätze der Verteidigung aus dem Ermittlungsverfahren zugrunde, die auszugsweise verlesen wurden.

Dieses Verfahren verstößt nach Ansicht des OLG Koblenz gegen § 250 Satz 2 StPO; auf Revision des Angeklagten hob es das Urteil auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück.

Das Oberlandesgericht legt zugrunde, dass schriftliche Erklärungen des Angeklagten in der Hauptverhandlung auch dann als Urkunden verlesen werden können, wenn er in der Hauptverhandlung Angaben zur Sache verweigert. Um solche Erklärungen des Angeklagten habe es sich bei den Schriftsätzen des Verteidigers indes nicht gehandelt. Es gebe keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass sich der Angeklagte seines Verteidigers lediglich als „Schreibhilfe“ bedient habe. Weder der Angeklagte noch der Verteidiger hätten durch entsprechende Erklärungen klargestellt, dass der Angeklagte die in den Schriftsätzen enthaltenen Äußerungen als eigene Einlassung verstanden wissen wollte. In den Schriftsätzen habe der Verteidiger das wiedergegeben, was er als Äußerung des Beschuldigten wahrgenommen habe.

Konsequenzen für die Praxis

Diese Rechtslage schützt den Verteidiger davor, dass Sachdarstellungen, die er schriftsätzlich im Ermittlungsverfahren zur Auslotung der Möglichkeiten eines Täter-Opfer-Ausgleichs, der Einstellung des Verfahrens nach Opportunitätsvorschriften oder im Schriftverkehr mit dem Verletzten oder mit Verwaltungsbehörden vorträgt, gegen den Willen des Angeklagten diesem als Einlassung/Teileinlassung zugerechnet werden. Will der Verteidiger eine Sachdarstellung als Einlassung der Beschuldigten vortragen, so muss er das durch die äußere Form des Schreibens, abgesetzt, Anführungszeichen, anderes Schriftbild deutlich machen.

Das Protokoll muss über die wesentliche Förmlichkeit Auskunft geben, ob der Angeklagte die mündliche oder schriftliche Sachdarstellung seines Verteidigers als eigene Einlassung verstanden wissen will. Schweigt das Protokoll dazu, kann ein solcher Wille des Angeklagten nicht unterstellt werden.


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