Das OLG Stuttgart hatte sich in seinem Beschluss vom 25. April 2016, Az. 4 Ss 212/16, mit einem Handy-Verstoß zu befassen.
Sachverhalt der Entscheidung
Der Betroffene fuhr mit seinem PKW im öffentlichen Straßenverkehr und hielt währenddessen sein Handy am Ohr, während er über die Freisprechanlage telefonierte. Er hatte sich dahingehend eingelassen, dass er das streitgegenständliche Telefonat bereits vor Fahrtantritt begonnen hat. Nach dem Start des Motors hatte sein Handy mit der Freisprecheinrichtung eine Verbindung hergestellt, so dass das Telefonat automatisch über diese Anlage geführt worden war. Nach der Verbindung mit der Freisprechanlage hatte der Betroffene jedoch vergessen, das Gerät abzulegen. Die Einlassung war dem Betroffenen nicht zu widerlegen und führte zu einem Freispruch.
Aus den Entscheidungsgründen
Das erstinstanzlich zuständige Amtsgericht hatte gegen den Betroffenen wegen „fahrlässigen Benutzens eines Mobiltelefons mittels Halten des Mobiltelefons während der Fahrt“ eine Geldbuße von 60 Euro festgesetzt. Hiergegen wandte sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügte. Das Rechtsmittel, welches zutreffend als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ausgelegt wurde, hatte Erfolg.
Ein Kraftfahrzeugführer, der während der Fahrt ein mit einer Freisprechanlage verbundenes Mobiltelefon in der Hand hält und über die Freisprechanlage telefoniert, verstößt nicht gegen das Verbot der Benutzung von Mobiltelefonen, solange er keine weiteren Funktionen des in der Hand gehaltenen Geräts nutzt.
Der strenge Gesetzesvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG verbietet es der Rechtsprechung, Tatbestände im Wege richterlicher Rechtsfortbildung etwa durch die Bildung von Analogien oder die Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen zu begründen oder zu verschärfen. Die Auslegung eines Gesetzes findet ihre Grenze in dem noch möglichen Wortsinn. Unsere Verfassung verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen eines Bußgeldtatbestandes so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich sowie Rechtsfolgen eines Verstoßes zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Jedermann soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe oder mit Bußgeld bedroht ist.
Gemessen hieran hat das Amtsgericht den Wortlaut des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO bei seiner Auslegung überdehnt. Danach darf ein Fahrzeugführer ein Mobil- oder Autotelefon nicht benutzen, wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss.
Die Verwendung eines Mobiltelefons über Bluetooth ist also keine „Benutzung“ im Sinne von § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO, wenn der Fahrzeugführer dazu den Telefonhörer nicht aufnehmen oder halten muss. Ein solches Verständnis der Verbotsnorm entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung: Mit ihrer Einführung wollte der Verordnungsgeber zwar gewährleisten, dass der Fahrzeugführer während der Benutzung des Mobil- oder Autotelefons beide Hände für die Bewältigung der Fahraufgabe frei hat. Nach der amtlichen Begründung darf ein Fahrzeugführer das Mobil- oder Autotelefon daher nur benutzen, wenn er dazu das Telefon oder den Hörer nicht aufnehmen oder halten muss.
Die mentale Überlastung und Ablenkung des Fahrers resultiert daher aus dessen Doppelbeanspruchung. Eine solche ist dann gegeben, wenn der Fahrer während der Fahrt sein Mobiltelefon als Telefon, aber auch als Organizer, Internetzugang oder Diktiergerät verwendet, da diese Tätigkeiten eine erhöhte Konzentration erfordern. Das bloße Halten eines Mobiltelefons begründet demgegenüber kein eigenständiges Gefährdungspotential. Hierfür spricht maßgeblich, dass der Verordnungsgeber die Benutzung anderer Geräte oder die Vornahme sonstiger Tätigkeiten, die es bedingen, dass nicht beide Hände für die eigentliche Fahraufgabe zur Verfügung stehen (z.B. Bedienung des Radiogerätes, Rauchen, Verzehr von Speisen und Getränken), nicht ebenso verboten hat.
Nach alledem war die tatbestandliche Bedingung, wonach für die Verwendung eines Mobiltelefons dieses „aufgenommen oder gehalten werden muss“ dem Wortlaut nach jedenfalls nicht erfüllt. Dem stand nicht entgegen, dass der Betroffene das Mobiltelefon tatsächlich in der Hand gehalten hat. Dies hat sich vorliegend nämlich gerade nicht auf den Kommunikationsvorgang ausgewirkt.
Praxishinweise
Regelmäßig droht bei einem Handy-Verstoß eine Geldbuße von 60,00 €. Damit einher geht die Eintragung von einem Punkt in das Fahrerlaubnisregister in Flensburg. Für Mehrfachtäter kann auch bei beharrlichen Handyverstößen das Risiko eines Fahrverbots hinzukommen. So urteilten bereits in der Vergangenheit Gerichte, dass die wiederholte verbotswidrige Benutzung eines Mobiltelefons geeignet ist, die Anordnung einer beharrlichen Pflichtverletzung zu rechtfertigen.
Zwar überwiegen in der Praxis die Urteile, die von einer verbotswidrigen Benutzung des Telefons im Straßenverkehr ausgehen. Dennoch sollte man die Verteidigungsansätze nicht unterschätzen. Die Anforderungen an den Tatnachweis sind - wie o.g. Urteil anschaulich zeigt - recht hoch. Ein Bußgeldbescheid sollte daher nicht einfach hingenommen werden. Liegt Ihnen eine Anhörung oder ein Bußgeldbescheid vor, dann kontaktieren Sie uns noch heute!