Schaltet der Verkäufer von Geschäftsanteilen bei der von ihm geschuldeten Auskunftserteilung andere Personen ein, zu denen häufig auch Manager und/oder Mitarbeiter des Zielunternehmens gehören, und stammen die dem Käufer überlassenen Informationen von dem Management der Zielgesellschaft oder deren Mitarbeitern, sind diese regelmäßig auch als Erfüllungsgehilfen des Verkäufers zu qualifizieren.

Soweit eine solche Person eine falsche Auskunft erteilt, haftet der Verkäufer daher, wie wenn er die Auskunft selbst erteilt hätte. Die Käuferin von Geschäftsanteilen muss sich das Wissen der Geschäftsführer der Zielgesellschaft unter dem Aspekt vorzeitig übergegangener Loyalität sowie der Veranlassung von Vertragsverhandlungen zurechnen lassen, wenn die Geschäftsführer der Zielgesellschaft im Rahmen der Transaktion zwischen der Käuferin und dem Verkäufer der Geschäftsanteile Gesellschafter der Käuferin geworden sind, so ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. Juni 2016, Az. 1 6 U 20/15.

Sachverhalt der Entscheidung

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen vorsätzlicher Verletzung vorvertraglicher Informationspflichten beim Abschluss eines Unternehmenskaufvertrags auf Schadensersatz in Anspruch.

Sie erwarb 2011 von der Beklagten deren Geschäftsanteile an der A-GmbH. Geschäftsführer der A-GmbH war H. Im Zuge der Vertragsverhandlungen über den Unternehmenskauf machte H gegenüber der Klägerin wissentlich falsche Angaben, durch die die wirtschaftliche Situation der A-GmbH zu positiv dargestellt wurde. Unmittelbar nach Abschluss des Unternehmenskaufvertrages wurde H – wie von Anfang an geplant – zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt und am Stammkapital der Klägerin beteiligt.

Sechs Monate nach der Transaktion wurde der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A-GmbH gestellt. Das OLG verurteilt die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz an die Klägerin.

Aus den Entscheidungsgründen

Zwischen den Parteien ist im Zusammenhang mit dem Unternehmenskaufvertrag ein vorvertragliches Schuldenverhältnis zustande gekommen. Ihre daraus erwachsenen Aufklärungspflichten hat die Beklagte schuldhaft verletzt. Die Geltendmachung der Verletzung vorvertraglicher Informationspflichten war nicht durch vorrangige Sachmängelvorschriften ausgeschlossen, da diese nicht geltend gemacht werden können, wenn der Verkäufer arglistig oder vorsätzlich gehandelt hat.

Die Beklagte muss sich das vorsätzliche Verhalten des Geschäftsführers der A-GmbH wie eigenes Verschulden zurechnen lassen, denn H als Geschäftsführer der A-GmbH hat hinsichtlich der vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten der Beklagten als deren Erfüllungsgehilfen gehandelt.

Schaltet der Verkäufer von Geschäftsanteilen bei der von ihm geschuldeten Auskunftserteilung, etwa im Rahmen einer Due Diligence, Geschäftsführer oder Mitarbeiter des Zielunternehmens ein, sind diese regelmäßige auch als Erfüllungsgehilfen des Verkäufers zu qualifizieren. Soweit eine solche Person eine falsche Auskunft erteilt, haftet der Verkäufer daher, als ob er die Auskunft selbst erteilt hätte.

Allerdings muss sich neben der Beklagten auch die Klägerin das Wissen von H nach § 166 BGB zurechnen lassen. H Ist noch am Tag des Kaufvertragsabschlusses zum Mitgeschäftsführer der Klägerin bestellt worden. Außerdem wurde er unmittelbar nach der Transaktion am Stammkapital der Klägerin beteiligt. Da dies von Anfang an geplant war, muss sich die Klägerin das Wissen von H analog § 166 I BGB unter dem Aspekt vorzeitig übergegangene Loyalität zurechnen lassen.

Aufgrund der Wissenszurechnung entsprechend § 166 I BGB wären Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte eigentlich ausgeschlossen. Vorliegend gilt jedoch etwas anderes, weil die Parteien die Zurechnung der Kenntnis von H an die Klägerin im Unternehmenskaufvertrag auf Garantieansprüche beschränkt haben. Dadurch ergibt sich – wie das OLG im Einzelnen ausführt -, dass eine Zurechnung des Wissens von H zulasten der Klägerin im Fall einer vorsätzlichen Aufklärungspflichtverletzung gerade nicht gewollt war.

Praxishinweise

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf hat erhebliche Bedeutung insbesondere für Fälle des so genannten Management-Buy-Out und für vergleichbare Transaktionen, bei denen von vornherein geplant ist, dass bisherige Manager der Zielgesellschaft nach Abschluss der Transaktion herausgehobene Positionen im Unternehmen des Käufers übernehmen sollen. In diesen Fällen kann das Wissen der Manager der Zielgesellschaft dem Käuferunternehmen unter dem Aspekt der vorzeitig übergegangenen Loyalität schon vor Durchführung der Transaktion zuzurechnen sein. Aus Käufersicht muss daher bei der Vertragsgestaltung unbedingt darauf geachtet werden, dass eine Wissenszurechnung im Kaufvertrag ausgeschlossen wird.

Gerne entwerfen wir für Sie entsprechende Unternehmenskaufverträge und begleiten die Vertragsverhandlungen.


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