Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte sich am 09. Juni 2016 (Az. 6 AZR 396/15) mit der Frage zu befassen, ob eine Probezeit im Berufsausbildungsverhältnis, die schon die im Gesetz vorgesehenen 4 Monate ausschöpft, verlängert werden kann.

Hintergrund der Entscheidung:

Jedes Berufsausbildungsverhältnis muss - anders als ein Arbeitsverhältnis - mit einer Probezeit beginnen. Nach § 20 Berufsbildungsgesetz (BBiG) muss die Probezeit mindestens einen Monat und darf höchstens vier Monate betragen. Was gilt aber, wenn der Auszubildende während der Probezeit erkrankt?

In dem vorliegenden Fall wurde ein Formularausbildungsvertrag verwandt, der eine Regelung vorsah, wonach bei einer Unterbrechung der Probezeit von mehr als zwei Dritteln der Probezeit eine Verlängerung um diesen Zeitraum vorgesehen war. Das Gericht befand, das die Regelung weder gemäß § 25 BBiG nichtig war noch es sich um eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 BGB handelt. Die ausgesprochene Kündigung des Ausbildungsbetriebs war wirksam.

Sachverhalt der Entscheidung:

Die Parteien stritten über die Wirksamkeit der Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses zum Kfz-Mechatroniker. Mittels Formularvertrag wurde die im Gesetz vorgesehene maximale Probezeit von vier Monaten vorgesehen. § 1 der sog. „weiteren Vertragsbestimmungen“ lautete sinngemäß: Wird die Ausbildung während der Probezeit um mehr als ein Drittel dieser Zeit unterbrochen, so verlängert sich die Probezeit um den Zeitraum der Unterbrechung.

Der Auszubildende erkrankte in der Probezeit sieben Wochen arbeitsunfähig. Dann fehlt er wegen einer Verletzung beim Fußballspiel vollständig. Die Beklagte unterrichtete den bei ihr gebildeten Betriebsrat mit Schreiben vom 28. April 2014 über ihre Absicht, das Berufsausbildungsverhältnis wegen dieser Fehlzeiten innerhalb der Probezeit zu kündigen. Der Betriebsrat erklärte am 5. Mai 2014, dass gegen die Kündigung keine Bedenken bestünden. Die Beklagte kündigte daraufhin das Berufsausbildungsverhältnis fristlos mit Schreiben vom 6. Mai 2014, welches dem Kläger noch am selben Tag zuging.

Hiergegen wand sich der Kläger/Auszubildende mit einer am 15. Mai 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage. Zudem hat er den zuständigen „Ausschuss zur Schlichtung von Lehrlingsstreitigkeiten“ bei der Innung des Kfz-Gewerbes F und M-Kreis angerufen. Der Spruch des Ausschusses wurde nicht von beiden Parteien anerkannt. Der Kläger setzte seine Ausbildung bei einem anderen Ausbildenden fort und bestand Ende Januar 2015 die Abschlussprüfung.

Nach Auffassung des Klägers war die Kündigung unwirksam. Sie sei nicht innerhalb der gesetzlichen Probezeit von höchstens vier Monaten erklärt worden. Die in § 1 Nr. 2 der „weiteren Vertragsbestimmungen“ des Berufsausbildungsvertrags formularmäßig vorgesehene Verlängerung der Probezeit weiche zuungunsten des Auszubildenden von den gesetzlichen Regelungen der Probezeit in § 20 BBiG ab und sei deshalb gemäß § 25 BBiG nichtig. Zudem halte die Vertragsklausel einer Inhaltskontrolle nicht stand. Überdies sei die Kündigung treuwidrig, da ein Ausbildender mit Sportverletzungen des Auszubildenden rechnen müsse.

Aus den Gründen:

Die Kündigung der Beklagten hat das Ausbildungsverhältnis in der Probezeit fristlos beendet.

Ist die Regelung der Probezeit in einem Formularausbildungsvertrag des Ausbildenden enthalten, unterliegt eine Klausel hinsichtlich der Dauer der Probezeit einer Kontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Die Regelung in § 1 Nr. 2 der „weiteren Vertragsbestimmungen“ ist weder gemäß § 25 BBiG nichtig noch handelt es sich um eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 3 Satz 1 iVm. Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB. Nach § 25 BBiG ist eine Vereinbarung, die zuungunsten Auszubildender u.a. von § 20 BBiG abweicht, nichtig. Eine solche Vereinbarung liegt hier aber nicht vor. Die Verlängerung der nach § 22 Abs. 1 BBiG erleichterten Kündigungsmöglichkeit für den Ausbildenden ist bei praktischer Betrachtungsweise insoweit auch im Sinne des Auszubildenden, der ohne Verlängerung häufig keine „zweite Chance“ bekommt.

Die gesetzlich vorgeschriebene Probezeit soll einerseits sicherstellen, dass der Ausbildende den Auszubildenden dahingehend überprüfen kann, ob dieser für den zu erlernenden Beruf geeignet ist und sich in das betriebliche Geschehen mit seinen Lernpflichten einordnen kann. Andererseits muss die Prüfung, ob der gewählte Beruf seinen Vorstellungen und Anlagen entspricht, auch dem Auszubildenden möglich sein. Letztlich soll die Probezeit beiden Vertragspartnern ausreichend Gelegenheit einräumen, die für das Ausbildungsverhältnis im konkreten Ausbildungsberuf wesentlichen Umstände eingehend zu prüfen. Diese Prüfung ist bei einer tatsächlichen Unter-brechung der Ausbildung, zB aufgrund einer Erkrankung des Auszubildenden, nicht möglich. Die Verlängerung der Probezeit dient letztlich dem Ziel einer erfolgreichen Durchführung der Berufsausbildung. Sie steht darum im Gerechtigkeitskern mit der gesetzlichen Bewertung und Gewichtung der von § 307 BGB geschützten Interessen des Auszubildenden im Einklang.

Praxishinweise:

Die Kündigung eines Auszubildenden richtet sich nach § 22 BBiG. Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Nach der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis vom Ausbildenden nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Hieran stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen. Die Kündigung muss schriftlich und unter Angabe der Gründe erfolgen. Zudem muss ein wichtiger Grund vorliegen.

Wird aber die Probezeit durch Krankheit des Auszubildenden unterbrochen, kann der Ausbildende den Auszubildenden ggf. nicht erschöpfend erproben. Er neigt daher ggf. vorschnell zu einer fristlosen Kündigung, da die Kündigung nach Ablauf der Probezeit nur aus wichtigem Grund möglich ist. Sollte - wie vorliegend - keine entsprechende Regelung im Berufsausbildungsvertrag enthalten sein, entwerfen wir für Sie gerne entspreche Probezeitverlängerungsvereinbarungen, denn Unterbrechungen verlängern die Probezeit nicht automatisch. Außerdem prüfen wir für Sie, ob vorgelagerte Beschäftigungsverhältnisse eine wirksame Probezeitvereinbarung ggf. ausschließen.

 Bei arbeitsrechtlichen Problemen mit Auszubildenden stehen wir Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite. Schreiben Sie uns, oder rufen Sie uns einfach an.


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