Das LArbG Kiel hat mit Urteil vom 21.03.2018, Az. 3 Sa 398/17, entschieden, dass eine Verdachtskündigung nur dann wirksam ist, wenn der Arbeitnehmer angemessen Zeit hat, zu den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen.

Der als Entwicklungsingenieur beschäftigte Kläger stritt sich mit seiner Arbeitgeberin, der Beklagten, schon mehrfach bis vor das Landesarbeitsgericht über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses. Im vom Landesarbeitsgericht nunmehr entschiedenen Fall ging es neben einer Versetzung und einer Änderungskündigung um eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 12.08.2016, die u.a. mit dem Verdacht von Straftaten begründet wurde. Im Zuge der im Rechtsstreit ebenfalls streitigen Versetzung des Klägers aus der Entwicklungsabteilung in den Außendienst erhielt der Kläger von der Beklagten im Juni 2016 ein Laptop ausgehändigt. Er war seitdem durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem der Kläger größere Datenmengen über das Laptop heruntergeladen hatte, verlangte die Beklagte das Laptop heraus. Am 03.08.2016 übersandte der Kläger der Beklagten ein anderes Laptop. Ob dies versehentlich erfolgte, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls gab die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 04.08.2016, in dessen Briefkasten frühestens am Abend eingegangen, Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 08.08.2016, 13:00 Uhr. Als die Frist verstrichen war, brachte die Beklagte die außerordentliche Verdachtskündigung auf den Weg.

Das LArbG Kiel hat entschieden, dass die Verdachtskündigung unwirksam ist.

Wer einem Arbeitnehmer gegenüber eine Kündigung aussprechen will, die nicht auf Tatsachen, sondern auf einem Verdacht beruht, kann dies nach Auffassung des LArbG Kiel bei u.a. hinreichend schwerem Verdacht rechtlich wirksam tun, muss aber den betroffenen Mitarbeiter vorher zu den Vorwürfen anhören. Dabei sei ihm angemessen Zeit für die Antwort einzuräumen. Setze der Arbeitgeber dagegen eine zu kurze Frist und kündige dem Arbeitnehmer nach deren Ablauf, ohne dass die Stellungnahme des Betroffenen vorliege, so sei die Kündigung als Verdachtskündigung rechtsunwirksam.

Das Landesarbeitsgericht hält vorliegend – angesichts des Umstands, dass sich die Parteien bereits anderweitig in vertraglichen und auch gerichtlichen Auseinandersetzungen befanden, in welchen sich der Kläger stets anwaltlich vertreten ließ – die Stellungnahmefrist von nicht einmal zwei vollen Arbeitstagen bis Montagmittag für in jeder Hinsicht unangemessen kurz. Dies gelte umso mehr, als dass die Beklagte das Anhörungsschreiben nicht zugleich dem Prozessbevollmächtigten des Klägers – ggf. auch per Fax – zusandte. Außerdem wusste sie, dass der Kläger arbeitsunfähig krank war. Sie musste somit damit rechnen, dass sich dieser gerade nicht durchgängig zu Hause aufhalte.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Quelle: Pressemitteilung des LArbG Kiel Nr. 2/2018 v. 13.04.2018

Praxishinweise

Im Strafverfahren gilt der Grundsatz „in dubio pro reo“, im Zweifel für den Angeklagten. Im Kündigungsschutzrecht muss der Arbeitgeber in der Regel den Kündigungsgrund zur vollen Überzeugung des Gerichts beweisen. Es sind jedoch Fälle denkbar, in denen der dringende Verdacht besteht, dass der Arbeitnehmer ein schwerwiegendes vertragswidriges Verhalten begangen hat, dies ihm aber nicht mit letzter Sicherheit nachgewiesen werden kann. In diesem Fall kann der Arbeitgeber unter Umständen eine Verdachtskündigung aussprechen. Da die Gefahr besteht, dass die Kündigung einen Unschuldigen trifft, sind die Hürden bei einer Verdachtskündigung besonders hoch, wie auch vorstehende Entscheidung zeigt. Der Arbeitgeber muss alles Zumutbare getan haben, um den Sachverhalt aufzuklären. Dazu gehört auch immer eine vorherige Anhörung des Arbeitnehmers.

Auf dem Gebiet des Arbeitsrechts vertritt Sie engagiert Frau Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Nadine Kanis. Diese ist spezialisiert auf das Kündigungsschutzrecht.


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