Als erstes Gericht hat das Landgericht München I der Klage eines Mannes stattgegeben, der sich nach Bekanntwerden des VW-Abgasskandals vom Kauf seines Fahrzeugs lösen wollte. Der Mann sei getäuscht worden ‑ und der Mangel noch immer nicht behoben.

Der Kläger hatte im Mai 2014 einen Seat gekauft, in dem ein VW-Dieselmotor (Typ EA 189) verbaut war, dessen Schadstoffausstoß deutlich über den Nennwerten lag. Am 29. Oktober 2015 forderte der Mann den Verkäufer, ein hunderprozentiges Tochterunternehmen der VW AG, zur Nachbesserung bis zum 13. November 2015 auf; andernfalls trete er vom Kaufvertrag zurück. Am 2. November 2015 teilte die Beklagte mit, dass an dem Problem gearbeitet werde. Als es am 2. März 2016 noch immer nicht behoben war, erklärte der Käufer die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung.

Das Landgericht München I sprach dem Kläger in einer am Freitag bekanntgewordenen Entscheidung sowohl die Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich des Wertverlustes für die Zeit, in der er das Fahrzeug genutzt hatte) als auch den Ersatz seiner sonstigen Kosten (Zulassung, Garantieverlängerung, Zusatzausstattung) zu (Urteil vom 14. April 2016, Az. 23 O 23033/15).

Der niedrige Schadstoffausstoß des Fahrzeugs sei Teil der Vereinbarung zwischen den Parteien und für den Kläger maßgeblich gewesen. Das Wissen über die manipulierten Abgaswerte seitens VW müsse das beklagte Autohaus sich aufgrund seiner Stellung als hundertprozentige Konzerntochter auch zurechnen lassen. Es habe sich in der Außendarstellung ausdrücklich als Teil des VW-Konzerns präsentiert und dessen werbliche Aussagen, unter anderem zum Kraftstoffausstoß der Fahrzeuge, als eigene übernommen.

Über den ursprünglich erklärten Rücktritt des Klägers hatte das LG nicht zu entscheiden, da dieser infolge der anschließenden Anfechtung gegenstandslos wurde. In einem obiter dictum stellte das Gericht dennoch klar, dass es auch einen Rücktritt für zulässig gehalten hätte. Unzweifelhaft läge in dem erhöhten Schadstoffausstoß ein Sachmangel. Ob eine Behebung dieses Mangels ohne gleichzeitige Einbußen beim Kraftstoffverbrauch oder der Motorleistung überhaupt möglich ist, sei bereits zweifelhaft. Jedenfalls aber sei eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels inzwischen verstrichen.

Eine Frist von inzwischen über einem halben Jahr sei "nach der freien Überzeugung des Gerichts auf keinen Fall mehr angemessen". Nach Erklärung der Beklagten im Prozess solle die Mängelbeseitigung zudem frühestens am 26. September 2016 beginnen, was dann bereits nahezu einem Jahr entspräche und auch unter Berücksichtigung der besonderen Umstände unzumutbar lang sei.

Schließlich sei der Mangel auch erheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 BGB. Insbesondere an dieser Voraussetzung waren in der Vergangenheit wiederholt Klagen von Käufern gescheitert. Zwar werde die Mangelbeseitigung nach Vortrag der Beklagten weniger als eine Stunde dauern und keine 100 Euro kosten. Dennoch handele es sich ganz offenbar um einen Eingriff von erheblicher Komplexität, was ja schon die sehr lange Wartezeit belege. Da zudem eine Beschaffenheitsvereinbarung über den Schadstoffausstoß getroffen worden sei und die Arglist der Beklagten erschwerend hinzukomme, sei in Summe von einem erheblichen Mangel des Fahrzeugs auszugehen.

Laut Volkswagen sind deutschlandweit bislang neun Urteile zur Thematik ergangen. Acht unterschiedliche Landgerichte hätten die Klagen der Autobesitzer abgewiesen. Das Urteil des LG München sei das erste, das der Klage gegen einen Händler stattgegebe.


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