Ein inhaftierter Mandant ist zahlreichen Restriktionen unterworfen. Seine Kommunikationsfähigkeit mit Dritten ist stark eingeschränkt. Die Qualität der Verteidigung hängt aber entscheidend davon ab, wie gut er sich mit den gegen ihn erhobenen Tatvorwürfen auseinandersetzen kann. Dazu benötigt ein U-Häftling nicht nur Kontakt mit seinem Verteidiger, sondern auch Einsicht in die Ermittlungsakte.

Mit der Besitzerlaubnis für ein elektronisches Lesegerät zur Lesbarmachung der eigenen digitalsierten Verfahrensakte hat sich das LG Frankfurt a. M. in seiner Entscheidung vom 23. Oktober 2014, Az. 5/28 Qs 49/14, beschäftigt. Das Gericht entschied, dass jedenfalls im Rahmen eines besonders umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahrens der Beschuldigte während seiner U-Haft die Durchsicht seiner digitalen Verfahrensakte auf einem auf seine Kosten anzuschaffendem elektronischen Lesegerät (eBook, Computer oder Laptop) in einem Haftraum ermöglicht werden muss, sofern durch anzuordnende Hard- und Softwareeinschränkungen die Sicherheit und Ordnung der Untersuchungshaftanstalt gewährleistet werden kann.

Sachverhalt der Entscheidung

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt a. M. führte gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges gegen eine Vielzahl von Beschuldigten, unter anderem gegen die Beschuldigten … und … als Verantwortliche von Unternehmen der S&K-Gruppe sowie … (Beschwerdeführer) und … als Verantwortliche von Unternehmen der United Investors-Gruppe.

Nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen sollen unter anderem die neben dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin genannten Beschuldigten im Zeitraum von September 2008 bis Januar 2012 insgesamt fünf Fonds aufgelegt haben, in die Anleger gegen Renditeversprechen von bis zu 9,3 % Geldbeträge einzahlten. Insgesamt sollen die Beschuldigten so über € 100.000.000 gesammelt haben. Die Beschuldigten sollen das von den Anlegern investierte Kapital - so der Ermittlungsstand - aufgrund eines gemeinsam gefassten Tatplans, aber nicht oder jedenfalls nur in geringem Umfang dazu verwendet haben, die den Anlegern versprochenen Renditen zu erwirtschaften.Tatsächlich sollen sie die Gelder über ein von den Beschuldigten ... und ... mit der S&K-Gruppe geschaffenes Firmengeflecht verschoben und zur Finanzierung eines luxuriösen Lebensstils sowie zum Aufbau einer umfangreichen Vertriebsstruktur für die S&K-Gruppe verwendet haben.

Der Beschuldigte wurde festgenommen und wurde in die Justizvollzugsanstalt Weiterstadt verbracht. Mit Beschlüssen vom 23. Dezember 2013 (1 HEs 106/13) und vom 30. Mai 2014 (1 HEs 56/14) ordnete das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. die Haftfortdauer an, wobei das Oberlandesgericht die Fluchtgefahr angenommen und Verdunkelungsgefahr abgelehnt hat.

Mit Schriftsatz vom 18. Juni 2014 beantragte die Rechtsanwältin des Beschwerdeführers bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main, u.a. dem Beschwerdeführer zur Lektüre seiner Verfahrensakte einen Laptop zur Verfügung zu stellen. Gegen den ablehnenden Beschluss der Staatsanwaltschaft beantragte die Rechtsanwältin des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 30. Juli 2014 die gerichtliche Entscheidung, den das Amtsgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 23. Juli 2013 zurückwies. Die dagegen eingelegte Beschwerde wies die Kammer mit Beschluss vom 13.Oktober 2014 mit der Argumentation zurück, dass es sich bei einem Laptop in der Hand eines Untersuchungsgefangenen nach derzeitigem technischen Stand um einen Gegenstand gesteigerter Gefährlichkeit für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt handelt, so dass die Versagung grundsätzlich gerechtfertigt ist. In diesem Beschluss kündigte die Kammer an, nach weiterer Sachaufklärung zu entscheiden, ob dem Beschwerdeführer darüber hinausgehend der Besitz eines Gerätes zum Lesen der elektronischen Akte in seinem Haftraum genehmigt werden kann, von dem durch entsprechende Bearbeitung keine oder nur eine geringe Gefährlichkeit für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt ausgeht. Diese Sachaufklärung ist mittlerweile erfolgt. Rechtsgrundlage für das Einbringen von Gerätschaften sind die  §§ 11, 12 HUVollzG.

Aus den Entscheidungsgründen

Untersuchungsgefangene dürfen ihren Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Gegenständen ausstatten bzw. solche besitzen. Hiervon sind gemäß § 11 Abs. 2 Alt. 3 HUVollzG Gegenstände ausgeschlossen, die geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt zu gefährden. Danach ist die Versagung eines Computers/Laptops/E-Books grundsätzlich deshalb gerechtfertigt, weil ein Missbrauch der damit gegebenen technischen Möglichkeiten, insbesondere ein unkontrollierter Datenaustausch, nur mit erheblichen   im Normalfall nicht zumutbarem   Aufwand seitens der Vollzugsanstalt für die Präparation des Gerätes und die erforderliche regelmäßige Kontrolle ausgeschlossen werden kann (BVerfG, 2. Senat, Beschluss vom 31. März 2003, Az. 2 BvR 1848/02).

Eine Ausnahme erfährt dieser Grundsatz jedoch dann, wenn gewichtige Gesichtspunkte in der Sache oder in der Person des Beschuldigten einen entsprechenden Aufwand rechtfertigen bzw. angezeigt erscheinen lassen. Die Anwendung gesetzlicher Bestimmungen, die eine Beschränkung von Rechten der Gefangenen erlauben, unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Untersuchungsgefangene ist nur den unvermeidlichen Beschränkungen zu unterwerfen. Dementsprechend ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeit einer Beschränkung im Einzelfall zu überprüfen, ob ein milderes Mittel zur Verfügung steht, das einerseits dem Beschuldigten in größtmöglichem Umfang Freiheiten gewährt, aber andererseits den Betrieb der Justizvollzugsanstalt nicht unzumutbar beeinträchtigt oder gefährdet. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sah die Kammer im vorliegenden Einzelfall die generelle Versagung des Besitzes eines Geräts zur Lesbarmachung der Ermittlungsakten in der Haftzelle des Beschuldigten als nicht verhältnismäßig an.

Das Gericht ordnete an, dass das Lesegerät nicht über eingebaute Module zum drahtlosen Senden und/oder Empfangen von Daten (z.B. Mobilfunk, WLAN, Bluetooth etc.) verfügen darf. Disketten- bzw. DVD-/Laufwerke mussten versiegelt werden etc.

Fazit

Angesichts immer komplexer werdender Strafsachen muss der inhaftierte Mandant Zugriff auf einen Laptop haben. Die Angst der Justiz vor der Planung einer Flucht ist zu pauschal und kann die allgemeine Beschränkung nicht rechtfertigen. Vielmehr muss der Zugang die Regel werden und die Beschränkung die Ausnahme.


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