Der Bundesgerichtshof hatte sich in seiner Entscheidung vom 12. Oktober 2016, Az. 5 StR 134/15, im Fall HSH-Nordbank mit der Frage zu beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen ein Verstoß gegen die Business-Judgement-Rule in § 93 AktG zugleich eine Pflichtverletzung iSv § 266 StGB [Untreue]darstellt.

Verfahrensgang

Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat die Vorstandsmitglieder der HSH-Nordbank-AG im Zusammenhang mit der Genehmigung einer komplexen Transaktion unter anderem wegen Untreue angeklagt. Bei dem sog. „Omega 55"-Geschäft ging es um die Verbriefung und Auslagerung von Risiken aus dem Kreditportfolio der HSH-Nordbank. Im Ergebnis bewirkte das Geschäft für die Bank indes nicht die bezweckte Entlastung von Kreditrisiken, sondern führte zu erheblichen Vermögensnachteilen.

Das LG sah in der Genehmigung des Geschäfts zwar einen Verstoß gegen die Vorstandspflichten aus § 93 I AktG. Es sprach die Angeklagten gleichwohl vom Vorwurf der Untreue frei, weil es die Pflichtverletzungen nicht als „offensichtlich” und „gravierend” qualifizierte. Die hiergegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hat vor dem BGH Erfolg.

Nach Ansicht des 5. Strafsenats ist das LG zu Unrecht davon ausgegangen, dass ein Verstoß gegen die Business-Judgement-Rule in § 93 1 1 AktG zusätzlich noch „gravierend" sein müsse, um eine Pflichtverletzung im Sinne des Untreuetatbestands zu begründen.

Rechtlicher Hintergrund

§ 93 I AktG verlangt von den Vorständen einer AG, bei ihren Handlungen die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Die Vorschrift räumt damit dem Vorstand grundsätzlich einen weiten wirtschaftlichen Entscheidungsspielraum ein und markiert dessen äußerste Grenzen. Werden sie überschritten, ist kein Raum für eine gesonderte Prüfung, ob die Pflichtverletzung auch einen „gravierenden” oder „evidenten” Charakter aufweist. Vielmehr liegt bei einem Verstoß gegen § 93 I 1 AktG stets eine gravierende bzw. evidente Pflichtverletzung vor, wie sie insbesondere vom BVerfG im Hinblick auf die Bestimmtheitsanforderungen an den Untreuetatbestand gefordert wird.

Der BGH schließt gleichwohl nicht aus, dass eine neuerliche Verhandlung des Falls ebenfalls zu einem Freispruch führen wird. Denn das LG hat den Verstoß gegen § 93 I 1 AktG damit begründet, dass der Vorstand seine Entscheidung entgegen § 93 I 2 AktG nicht auf der Grundlage angemessener Informationen getroffen hat. Dabei hat es aber verkannt, dass ein Verstoß gegen Informationspflichten allein eine Verletzung der Pflichten aus Art. 93 I 1 AktG lediglich indiziert. Nur wenn sich das auf der defizitären Informationsgrundlage beruhende Vorstandshandeln als schlechthin unvertretbar darstellt, liegt ein Verstoß gegen die Business-Judgement-Rule vor. Gemessen an diesem Maßstab waren die Feststellungen des LG hier aber unzureichend.

Praxishinweise

Die Anzahl der Strafverfahren mit dem Vorwurf der Untreue ist in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen. Dies ist auch der Tatsache geschuldet, dass bei den Strafverfolgungsbehörden spezialisierte Abteilungen für Wirtschaftsstrafrecht eingerichtet worden sind. Da der Tatbestand geradezu extensiv ausgelegt wird, ist unbedingt ein versierter Verteidiger zu konsultieren.

Betroffen von dieser Entwicklung sind nicht nur Vorstände von Aktiengesellschafter oder Geschäftsführer, sondern auch alle Personen, die Entscheidungen über fremdes Vermögen zu treffen haben bis hin zum „kleinen“ Angestellten mit eigener Entscheidungsbefugnis. Im Bedarfsfalle stehen wir Ihnen mit Rat und Tat zur Seite!


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