Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 11. Mai 2015, Az. C – 302/16, entschieden, dass ein Luftfahrtunternehmen, das nicht beweisen kann, dass ein Fluggast über die Annullierung seines Flugs mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet worden ist, ihm einen Ausgleich zu leisten hat.

 

Dies gelte nicht nur bei einem unmittelbar zwischen dem Fluggast und dem Luftfahrtunternehmen, sondern auch bei einem über einen Online-Reisevermittler geschlossenen Beförderungsvertrag, so der EuGH.

Herr Krijgsman buchte über einen Online-Reisevermittler einen Hin- und Rückflug von Amsterdam Schiphol (Niederlande) nach Paramaribo (Surinam) mit der Luftfahrtgesellschaft Surinaamse Luchtvaart Maatschappij (SLM). Der Hinflug war für den 14. November 2014 vorgesehen. Am 09. Oktober 2014 unterrichtete SLM den Reisevermittler über die Annullierung dieses Flugs. Am 04. November 2014 wurde Herr Krijgsman mit einer E-Mail des Reisevermittlers darüber unterrichtet.

Unter Berufung auf die Unionsverordnung über Ausgleichsleistungen für Fluggäste bei Annullierung von Flügen (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91, ABl. 2004, L 46, S. 1). forderte Herr Krijgsman von SLM die Zahlung des darin geregelten Pauschalbetrags von 600 Euro. Diese Verordnung sieht u.a. vor, dass den Fluggästen vom Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen eingeräumt wird, es sei denn sie sind über die Annullierung des Flugs mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet worden.

SLM verweigerte Herrn Krijgsman jedoch einen Ausgleich mit der Begründung, dass die Information über die Änderung des Abflugdatums am 09. Oktober 2014 an den Reisevermittler weitergegeben worden sei. Der Reisevermittler wies seinerseits gegenüber Herrn Krijgsman jede Verantwortung von sich, da sich seine Geschäftsbesorgung auf den Abschluss von Verträgen zwischen Fluggästen und Luftfahrtunternehmen beschränke und er somit nicht für Flugplanänderungen verantwortlich sei. Die Unterrichtung der Fluggäste obliege in einer solchen Situation dem Luftfahrtunternehmen, dem die E-Mail-Adresse des Fluggastes mit dem Buchungsvorgang übermittelt werde.
Daraufhin verklagte Herr Krijgsman SLM bei der Rechtbank Noord-Nederland (Bezirksgericht Nordniederlande) auf Zahlung des Ausgleichs. Da dieses Gericht der Ansicht war, dass die europäische Verordnung keinen Aufschluss gebe, in welcher Weise ein Luftfahrtunternehmen die Fluggäste im Fall der Annullierung eines Flugs informieren müsse, wenn ein Beförderungsvertrag über einen Reisevermittler oder eine Website geschlossen worden sei, hat es beschlossen, den EuGH dazu zu befragen.

Der EuGH hat entschieden, dass nach der Verordnung das Luftfahrtunternehmen die Beweislast dafür trägt, ob und wann der Fluggast über die Annullierung des Flugs unterrichtet wurde.

Nach Auffassung des EuGH ist das Luftfahrtunternehmen zur Zahlung des in der Verordnung vorgesehen Ausgleichs verpflichtet, wenn es nicht beweisen kann, dass der Fluggast über die Annullierung seines Flugs mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet worden ist. Eine solche Auslegung gelte nicht nur, wenn der Beförderungsvertrag unmittelbar zwischen dem Fluggast und dem Luftfahrtunternehmen geschlossen wurde, sondern auch dann, wenn er über einen Dritten wie einen Online-Reisevermittler geschlossen wurde. Die Erfüllung der Verpflichtungen gemäß der Verordnung durch das Luftfahrtunternehmen lasse dessen Recht unbeschadet, nach geltendem Recht bei anderen Personen, von denen der Verstoß des Luftfahrtunternehmens gegen seine Verpflichtungen ausgehe, auch Dritten, Regress zu nehmen. Die Verordnung beschränke nämlich in keiner Weise das Recht des Luftfahrtunternehmens, Erstattung von einem Reiseunternehmen oder einer anderen Person zu verlangen, mit der es in einer Vertragsbeziehung stehe.

Quelle: Pressemitteilung des EuGH Nr. 51/17 v. 11.05.2017

 


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