Der EuGH hat am 27.03.2019, Az. C-681/17, entschieden, dass das Widerrufsrecht der Verbraucher im Fall eines Onlinekaufs auch für eine Matratze gilt, deren Schutzfolie nach der Lieferung entfernt wurde.

Wie bei einem Kleidungsstück könne davon ausgegangen werden, dass der Unternehmer in der Lage sei, die Matratze mittels einer Reinigung oder Desinfektion wieder verkehrsfähig zu machen, ohne dass den Erfordernissen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht genügt würde, so der EuGH.

Sachverhalt der Entscheidung

Herr Sascha L. kaufte über die Website des deutschen Onlinehändlers slewo eine Matratze. Nach Erhalt der Ware entfernte er die Schutzfolie, mit der die Matratze versehen war. Sodann sandte er die Matratze an slewo zurück und verlangte die Erstattung des Kaufpreises i.H.v. 1.094,52 Euro und der Rücksendekosten. Nach Auffassung von slewo konnte Herr L. das Widerrufsrecht, das dem Verbraucher im Fall eines Onlinekaufs normalerweise 14 Tage lang zusteht, nicht ausüben. Die Verbraucherschutzrichtlinie 2011/83/EU (ABl. 2011, L 304, 64) schließe nämlich das Widerrufsrecht für "versiegelte Waren …, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet sind und deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde", aus.

Der BGH hat den EuGH um Auslegung der Richtlinie ersucht. Insbesondere möchte er wissen, ob eine Ware wie eine Matratze, deren Schutzfolie vom Verbraucher nach der Lieferung entfernt wurde, unter den in der Richtlinie vorgesehenen Ausschluss fällt.

Aus den Entscheidungsgründen

Der EuGH hat entschieden, dass der Verbraucher nicht an der Ausübung seines Widerrufsrechts gehindert ist, weil er die Schutzfolie einer im Internet gekauften Matratze entfernt hat. Das Widerrufsrecht soll den Verbraucher in der besonderen Situation eines Verkaufs im Fernabsatz schützen, in der er keine Möglichkeit hat, die Ware vor Vertragsabschluss zu sehen, so der EuGH. Es soll also den Nachteil ausgleichen, der sich für einen Verbraucher bei einem im Fernabsatz geschlossenen Vertrag ergebe, indem ihm eine angemessene Bedenkzeit eingeräumt werde, in der er die Möglichkeit hat, die gekaufte Ware zu prüfen und auszuprobieren, soweit dies erforderlich sei, um ihre Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise festzustellen.

Was den hier in Rede stehenden Ausschluss anbelange, sei es die Beschaffenheit einer Ware, die die Versiegelung ihrer Verpackung aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen rechtfertigen könne. Die Entfernung der Versiegelung der Verpackung einer solchen Ware lasse daher die Garantie in Bezug auf Gesundheitsschutz oder Hygiene entfallen. Wenn bei einer solchen Ware die Versiegelung der Verpackung vom Verbraucher entfernt wurde und daher ihre Garantie in Bezug auf Gesundheitsschutz oder Hygiene entfallen sei, könne sie möglicherweise nicht mehr von einem Dritten verwendet und infolgedessen nicht wieder in den Verkehr gebracht werden.

Eine Matratze wie die hier in Rede stehende, deren Schutzfolie vom Verbraucher nach der Lieferung entfernt wurde, fällt nach Auffassung des EuGH nicht unter die fragliche Ausnahme vom Widerrufsrecht. Zum einen sei nämlich nicht ersichtlich, dass eine solche Matratze, auch wenn sie möglicherweise schon benutzt wurde, allein deshalb endgültig nicht von einem Dritten wiederverwendet oder nicht erneut in den Verkehr gebracht werden könne. Insoweit genüge der Hinweis, dass ein und dieselbe Matratze aufeinanderfolgenden Hotelgästen diene, ein Markt für gebrauchte Matratzen bestehe und gebrauchte Matratzen einer gründlichen Reinigung unterzogen werden könnten. Zum anderen könne eine Matratze im Hinblick auf das Widerrufsrecht mit einem Kleidungsstück gleichgesetzt werden, d.h. mit einer Warenkategorie, für die die Richtlinie ausdrücklich die Möglichkeit der Rücksendung nach Anprobe vorsehe. Eine solche Gleichsetzung komme insofern in Betracht, als selbst bei direktem Kontakt dieser Waren mit dem menschlichen Körper davon ausgegangen werden könne, dass der Unternehmer in der Lage sei, sie nach der Rücksendung durch den Verbraucher mittels einer Behandlung wie einer Reinigung oder einer Desinfektion für eine Wiederverwendung durch einen Dritten und damit für ein erneutes Inverkehrbringen geeignet zu machen, ohne dass den Erfordernissen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht genügt würde.

Der EuGH betont allerdings, dass der Verbraucher gemäß der Richtlinie für jeden Wertverlust einer Ware haftet, der auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Ware nicht notwendigen Umgang zurückzuführen sei, ohne dass er deshalb sein Widerrufsrecht verlöre.
Quelle: Pressemitteilung des EuGH Nr. 42/2019 v. 27.03.2019

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