Sie haben einen Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung oder einer Abstandsunterschreitung erhalten? Droht Ihnen möglicherweise ein Fahrverbot? Akzeptieren Sie den Bußgeldbescheid nicht vorschnell. Wir helfen Ihnen gerne.

Gegen einen Bußgeldbescheid müssen Sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch einlegen, sonst wird der Bescheid rechtskräftig.

Wir prüfen gerne für Sie, ob die Tat ggf. schon verjährt ist. Sollte die Tat noch nicht verjährt sein und steht Ihre Fahrereigenschaft fest, muss im Regelfall gegen die Messung selbst vorgetragen werden.

Fast alle Geschwindigkeitsmessgeräte, einige Abstandsmessverfahren (VAMA, VKS, ViBramBAMS), die Atemalkohol-Messung mit dem Dräger-Evidential oder auch "Rotlichtkameras" sind sog. standardisierte Messverfahren. Darunter versteht man ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind.

Liegt ein standardisiertes Messverfahren vor, muss der Betroffene konkrete Rügen gegen die Messung erheben. Ein pauschales Bestreiten der Richtigkeit reicht dann nicht aus. Um dem gerecht zu werden, nehmen wir Akteneinsicht und beantragen, die Beiziehung der erforderlichen Unterlagen.

Häufig verweigert die Verwaltungsbehörde die Einsicht in die erforderlichen Unterlagen. Die könnte sich durch einen neuen Beschluss des OLG Jena 01. März 2016, Az. 2 OLG 101 Ss Rs 131/15 ändern.

Beschluss des OLG Jena vom 01. März 2016, Az. 2 OLG 101 Ss Rs 131/15

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Thüringer Polizei - Zentrale Bußgeldbehörde - setzte mit Bußgeldbescheid vom 19.11.2014 gegen den Betroffenen wegen einer am 17.08.2014 auf der BAB 71 bei km 124,8 begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 34 km/h eine Geldbuße von 120,00 € fest. Der Betroffene legte fristgerecht Einspruch ein. Seine Verteidigerin beantragte Akteneinsicht und, sofern diese Unterlagen nicht bereits Bestandteil der Akte sein sollten, folgende Unterlagen unverzüglich beizuziehen und der Verteidigerin sodann Akteneinsicht zu gewähren: Beschilderungsplan, Eichschein, Kalibrierungsfoto, Messprotokoll, Schulungsnachweis des Mess-/Auswertepersonals, Videosequenz, Originalmessfoto in Hochglanz, gesamte Bildstrecke, Dokumentation Fotolinie, Gebrauchsanleitung des Messgerätes, Lebensakte des Messgerätes, Registerauszug.

Standardmäßig antwortete die Zentrale Bußgeldstelle der Verteidigerin wie folgt:

„Entsprechend Ziffer 2.3.4.2.1 o.a. VWV Va-StVOWi gehören insbesondere Bedienungsanleitungen, Bestellungsurkunden, Lebensakten, Beschilderungspläne nicht zur Verfahrensakte. Es steht ihnen frei, im gerichtlichen Verfahren im Rahmen eines Beweisantrages die Erstellung und Vorlage dieser Unterlagen zu verlangen. Es wird darum gebeten, von Gesuchen um Übersendung der genannten Unterlagen gegenüber der Zentralen Bußgeldstelle abzusehen.“

In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Suhl wurde der Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 34 km/h zu einer Geldbuße von 120,00 € verurteilt. Mit Erfolg beantragte die Verteidigung die Zulassung der Rechtsbeschwerde gestützt auf die Versagung rechtlichen Gehörs. Es wurde geltend gemacht, dass die Verwaltungsbehörde die Einsicht in die o.g. Unterlagen verwehrt und das Gericht trotz entsprechenden Beweisantrags des in der Hauptverhandlung anwesenden Unterbevollmächtigten des Betroffenen die Lebensakte des verwendeten Verkehrsüberwachungsgerätes weder beigezogen, noch der Verteidigerin vorab zur Einsicht zur Verfügung gestellt habe. Das Gericht habe nicht davon ausgehen dürfen, dass eine eichrelevante Reparatur des Messgerätes im Zeitraum zwischen Eichung und Messung nicht stattgefunden habe, ohne sich selbst durch Einsicht in die Lebensakte darüber zu vergewissern.

Das OLG Jena stellte fest: Das Amtsgericht Suhl hat die ihm nach § 244 Abs. 2 StPO, § 71 Abs. 1 OWiG obliegende Aufklärungspflicht und den Anspruch des Betroffenen auf ein faires Verfahren verletzt, indem es dem in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Beiziehung der Lebensakte des Messgerätes nicht nachgekommen ist.

Da die Verwaltungsbehörde dem Betroffenen mithin den Zugang zu tatvorwurfrelevanten Informationen verwehrt hatte, hätte das Gericht dies auf entsprechenden Antrag nachholen müssen. Indem das Amtsgericht den in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Beiziehung der Lebensakte unter Hinweis auf einen fehlenden Grund zu Zweifeln am Fortbestand einer gültigen Eichung infolge eichrelevanter Reparaturen zurückwies, verletzte es seine Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO, § 71 Abs. 1 OWiG) und das Recht des Betroffenen auf ein faires Verfahren.


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