Der unter anderem für Dienstverhältnisse zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte in einem von einer Verbraucherschutzorganisation (Musterkläger) angestrengten Musterfeststellungsverfahren darüber zu entscheiden, ob Verträge zwischen der Betreiberin eines Online-Partnervermittlungsportals (Musterbeklagte) und ihren Kunden über eine kostenpflichtige Premium-Mitgliedschaft gemäß § 627 Abs. 1 BGB jederzeit gekündigt werden können sowie ob die bis zum 28. Februar 2022 von der Musterbeklagten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendeten Vertragsverlängerungsklauseln nach der maßgeblichen damaligen Rechtslage Verbraucher nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligen und deswegen unwirksam sind (Urteil des BGH vom 17. Juli 2025 - III ZR 388/23).

Sachverhalt:

Die Musterbeklagte betreibt ein Online-Partnervermittlungsportal. Die Nutzer haben die Wahl zwischen einer kostenlosen Basis-Mitgliedschaft und einer kostenpflichtigen Premium-Mitgliedschaft. Im Rahmen der Premium-Mitgliedschaft bot die Beklagte den Abschluss von Verträgen mit einer Erstlaufzeit von sechs, zwölf oder 24 Monaten zu folgenden Standardpreisen an:

- sechs Monate für 479,40 € (79,90 € monatlich),

- zwölf Monate für 790,80 € (65,90 € monatlich),

- 24 Monate für 1.101,60 € (45,90 € monatlich).

Die Verträge über die kostenpflichtige Premium-Mitgliedschaft enthielten Vertragsverlängerungsklauseln in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen, nach denen sich die Verträge automatisch um zwölf Monate verlängerten, wenn der Kunde nicht unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwölf Wochen vor Ablauf der Erstlaufzeit ordentlich kündigte.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Verfahren war erstinstanzlich beim Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg anhängig gemacht worden. Das Oberlandesgericht hatte entschieden, dass die Verträge nicht jederzeit gemäß § 627 Abs. 1 BGB gekündigt werden könnten und die Vertragsverlängerungsklausel beim Vertragsmodell mit einer bei Vertragsschluss gewählten Erstlaufzeit von 24 Monaten nicht gegen das bis zum 28. Februar 2022 gültige Recht verstoße. Bei den Vertragsmodellen mit Erstlaufzeiten von sechs und von zwölf Monaten seien die Vertragsverlängerungsklauseln hingegen nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Gegen das Urteil des Oberlandesgerichts haben beide Parteien Revision eingelegt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision des Musterklägers insgesamt zurückgewiesen und die Revision der Musterbeklagten teilweise für begründet erachtet. Der Senat hat entschieden, dass das Kündigungsrecht des § 627 Abs. 1 BGB, das eine besondere persönliche Beziehung voraussetzt, bei einem Vertrag über die Nutzung eines Online-Partnervermittlungsportals, bei dem die Leistung maßgeblich im Bereitstellen einer Online-Datenbank besteht und das die Partnersuche regelhaft ausschließlich durch vollständig automatisierte Vorgänge unterstützt, nicht besteht.

Der Senat hat des Weiteren festgestellt, dass bezogen auf die bis zum 28. Februar 2022 geltende Rechtslage die Vertragsverlängerungsklausel bei Verträgen mit einer bei Vertragsschluss gewählten Laufzeit von sechs Monaten die Kunden der Musterbeklagten nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligt und daher unwirksam ist.

Er hat das damit begründet, dass bei diesem Vertragsmodell die finanzielle Belastung für alle Kunden, die nicht (fristgerecht) kündigen, während der Vertragsverlängerung doppelt so hoch ist wie während der Erstlaufzeit des Vertrags und - ausschlaggebend - hinzu kommt, dass die Musterbeklagte von diesen Kunden, die ihr durch das Unterlassen einer Kündigung finanzielle Planungssicherheit verschaffen, insgesamt mehr verlangt als von denjenigen, die fristgerecht kündigen, sie damit zunächst in finanzieller Ungewissheit lassen und erst bei Ablauf der sechsmonatigen Erstlaufzeit mit ihr einen zweiten Vertrag mit einer (weiteren) Erstlaufzeit von zwölf Monaten schließen.

Bei den Vertragsmodellen mit Erstlaufzeiten von zwölf und von 24 Monaten ist das anders, weswegen bei ihnen eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht vorliegt.

Vorinstanz und Vorschriften:

Hanseatisches Oberlandesgericht - 3 MK 2/21 - Urteil vom 26. Oktober 2023

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 627 Abs. 1 BGB:

Bei einem Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 622 ist, ist die Kündigung auch ohne die in § 626 bezeichnete Voraussetzung zulässig, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete, ohne in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen zu stehen, Dienste höherer Art zu leisten hat, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen.

§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB:

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

§ 309 Nr. 9 BGB in der bis zum 28. Februar 2022 gültigen Fassung Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam … 9. (Laufzeit bei Dauerschuldverhältnissen) bei einem Vertragsverhältnis, das die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Verwender zum Gegenstand hat,

a) eine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrags,

b) eine den anderen Vertragsteil bindende stillschweigende Verlängerung des Vertragsverhältnisses um jeweils mehr als ein Jahr oder

c) zu Lasten des anderen Vertragsteils eine längere Kündigungsfrist als drei Monate vor Ablauf der zunächst vorgesehenen oder stillschweigend verlängerten Vertragsdauer; dies gilt nicht für Verträge über die Lieferung als zusammengehörig verkaufter Sachen sowie für Versicherungsverträge;

Art. 229 § 60 Satz 2 EGBGB

Auf ein Schuldverhältnis, das vor dem 1. März 2022 entstanden ist, ist § 309 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung anzuwenden.

Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 18. Juli 2025 Nr. Nr. 137/2025

Einfach Schluss machen geht also nicht: Der BGH hat entschieden, dass Verbraucher ihre Online-Partnervermittlungsverträge mit Parship nicht ohne Weiteres jederzeit kündigen können; das Sonderkündigungsrecht des § 627 BGB findet auf diese digitalen Angebote keine Anwendung. Für Altverträge mit kurzen Erstlaufzeiten (sechs Monate) waren bestimmte automatische Verlängerungsklauseln unwirksam. Portale müssen sicherstellen, dass automatische Verlängerungen Verbraucher nicht finanziell benachteiligen, vor allem wenn die Verlängerungsphase teurer wird als die Erstlaufzeit. Bei längeren Verträgen (zwölf und 24 Monate) dürfen automatische Verlängerungen weiterhin vereinbart werden, wenn sie gesetzeskonform ausgestaltet sind. Das Urteil schafft Rechtsklarheit für Anbieter und Nutzer bezüglich Kündigungsrecht und zulässigen Vertragsbedingungen im Online-Dienstleistungsbereich.

Bei Fragen berät Sie Herr Rechtsanwalt Dr. Exner gerne.

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