Während das „Scoring“ nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist, steht die längere Speicherung von Informationen über die Erteilung einer Restschuldbe­freiung im Widerspruch zur DSGVO

Mehrere Bürger fochten vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden Bescheide des zu­ständigen Datenschutzbeauftragten an, mit denen er sich weigerte, gegen be­stimmte Tätigkeiten der SCHUFA, einer privaten Wirtschaftsauskunftei, vorzuge­hen, zu deren Kunden insbesondere Banken zählen. Sie wandten sich konkret gegen das „Scoring“ sowie gegen die Speicherung von aus öffentlichen Registern über­nommenen Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung.

 Das „Scoring“ ist ein mathematisch-statistisches Verfahren, das es ermöglicht, die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Verhaltens, wie etwa die Rückzahlung eines Kredits, vorauszusagen. Die Informationen über die Erteilung einer Restschuldbe­freiung werden im deutschen öffentlichen Insolvenzregister sechs Monate lang ge­speichert, während Verhaltensregeln der deutschen Wirtschaftsauskunfteien für ihre eigenen Datenbanken eine Speicherdauer von drei Jahren vorsehen. Das Verwal­tungsgericht ersucht den Gerichtshof, den Umfang des Schutzes der personenbezo­genen Daten, wie er von der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)1 vorgesehen ist, näher zu erläutern.

Der Gerichtshof entscheidet, dass das „Scoring“ als eine von der DSGVO grundsätz­lich verbotene „automatisierte Entscheidung im Einzelfall“ anzusehen ist, sofern die Kunden der SCHUFA, wie beispielsweise Banken, ihm eine maßgebliche Rolle im Rahmen der Kreditgewährung beimessen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Wiesbaden ist dies der Fall. Es obliegt diesem Gericht zu beurteilen, ob das deutsche Bundesdatenschutzgesetz im Einklang mit der DSGVO eine gültige Ausnahme von diesem Verbot enthält. Trifft dies zu, wird das Gericht außerdem zu prüfen haben, ob die in der DSGVO vorgesehenen allgemeinen Voraussetzungen für die Datenverar­beitung erfüllt sind.

In Bezug auf die Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung ent­scheidet der Gerichtshof, dass es im Widerspruch zur DSGVO steht, wenn private Auskunfteien solche Daten länger speichern als das öffentliche Insolvenzregister. Die erteilte Restschuldbefreiung soll nämlich der betroffenen Person ermöglichen, sich erneut am Wirtschaftsleben zu beteiligen, und hat daher für sie existenzielle Be­deutung. Diese Informationen werden bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit der betroffenen Person stets als negativer Faktor verwendet. Im vorliegenden Fall hat der deutsche Gesetzgeber eine sechsmonatige Speicherung der Daten vorgesehen. Er geht daher davon aus, dass nach Ablauf der sechs Monate die Rechte und Interessen der betroffenen Person diejenigen der Öffentlichkeit, über diese Information zu ver­fügen, überwiegen.

Soweit die Speicherung der Daten nicht rechtmäßig ist, wie dies nach Ablauf der sechs Monate der Fall ist, hat die betroffene Person das Recht auf Löschung dieser Daten, und die Auskunftei ist verpflichtet, sie unverzüglich zu löschen. Was die pa­rallele Speicherung solcher Informationen durch die SCHUFA während dieser sechs Monate angeht, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, die in Rede stehenden In­teressen gegeneinander abzuwägen, um die Rechtmäßigkeit dieser Speicherung zu beurteilen. Sollte es zu dem Ergebnis kommen, dass die parallele Speicherung wäh­rend der sechs Monate rechtmäßig ist, hat die betroffene Person dennoch das Recht, Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten einzulegen, sowie das Recht auf de­ren Löschung, es sei denn, die SCHUFA weist das Vorliegen zwingender schutzwür­diger Gründe nach. Schließlich betont der Gerichtshof, dass die nationalen Gerichte jeden rechtsverbindlichen Beschluss einer Aufsichtsbehörde einer vollständigen in­haltlichen Überprüfung unterziehen können müssen.

HINWEIS: Mit einem Vorabentscheidungsersuchen haben die Gerichte der Mitglied­staaten die Möglichkeit, dem Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsstreits, über den sie zu entscheiden haben, Fragen betreffend die Auslegung des Unionsrechts oder die Gültigkeit einer Handlung der Union vorzulegen. Der Gerichtshof entscheidet da­bei nicht den beim nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit. Dieser ist unter Zu­grundelegung der Entscheidung des Gerichtshofs vom nationalen Gericht zu ent­scheiden. Die Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere natio­nale Gerichte, wenn diese über vergleichbare Fragen zu befinden haben.

 

Quelle: EuGH, PM 186/23, v. 7.12.2023


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