Der so genannte Sanierungserlass des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 27.03.2003, ergänzt durch das BMF-Schreiben vom 22.12.2009, verstößt ge­gen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Gleiches gilt für die im BMF-Schreiben vom 27.04.2017 vorgesehene Anwendung des so genannten Sa­nierungserlasses auf alle Fälle, in denen der Forderungsverzicht der an der Sa­nierung beteiligten Gläubiger bis zum 08.02.2017 endgültig vollzogen worden ist, so der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 23.08.2017, Az. IR 52/14.

Sachverhalt

Die Geschäftsanteile der Klägerin (GmbH) wurden ursprünglich zu 99% von der T-S.A. gehalten. Diese veräußerte ihre Beteiligungen im Oktober 2003 für 1 Euro an die M-S.A., ihre Muttergesellschaft. Am 14.12.2004 erwarben zwei Mitarbeiter der Klägerin sämtliche Geschäftsanteile für je 1 Euro.

Die Klägerin hatte in der Zeit bis 2004 erhebliche Verbindlichkeiten gegenüber den beiden S.A. Diese verzichteten in der Folge auf ihre gegen die Klägerin zu­stehenden Forderungen. In ihrem der Steuererklärung für das Streitjahr zugrunde liegenden Jahresabschlusses zum 31.12.2004 erfasste die Klägerin die For­derungsverzichte als außerordentliche Erträge. Die Klägerin beantragte beim Be­klagten (Finanzamt) den Erlass der auf den Verzichten beruhenden Körper­schaftssteuer für das Streitjahr aus sachlichen Billigkeitsgründen. Das Finanzamt setzte die Körperschaftssteuer mit bestandskräftig gewordenen Bescheid erklä­rungsgemäß fest. Die hiergegen gerichtete Klage hat keinen Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen

Der so genannte Sanierungserlass, auf den die Klägerin ihren Antrag ausschließ­lich stützt, verstößt gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gesetzmä­ßigkeiten der Verwaltung und ist keine geeignete Grundlage für einen Steuerer­lass aus Billigkeitsgründen.

Nach § 163 S. 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden, wenn die Erhe­bung der Steuern nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Unter denselben Voraussetzungen können gem. § 227 AO Ansprüche aus dem Steuerschuldverhält­nis ganz oder teilweise erlassen werden.

Die Entscheidung über eine abweichende Festsetzung oder den Erlass ist eine Er­messensentscheidung. Die abweichende Steuerfestsetzung und der Erlass setzen voraus, dass die Erhebung bzw. Einziehung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Der Begriff der Unbilligkeit bestimmt Inhalt und Grenzen des Ermessens. Nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH beschreiben die im so genannten Sanierungserlass aufgestellten Voraussetzungen für einen Steuererlass aus Billigkeitsgründen keinen Fall sachlicher Unbilligkeit. Soweit der sog. Sanierungserlass gleichwohl den Erlass der auf einen Sanierungsgewinn entfallenen Steuer vorsieht, liegt darin ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.

Sanierungserlass des Großen Senats des BFH vom 28.11.2016 (GrS 1/15) und BMF-Schreiben vom 27.04.2017, Az. IV C 6 - S 2140/13/10003

In Reaktion auf den Beschluss des Großen Senats hat das BMF mit Schreiben vom 27.04.2017 „aus Gründen des Vertrauensschutzes“ unter anderem angeordnet, dass in den Fällen, in denen der Forderungsverzicht der an der Sanierung betei­ligten Gläubiger bis zum 08.02.2017 endgültig vollzogen worden ist, der Sanie­rungserlass weiterhin uneingeschränkt anzuwenden sei.

Auch dieses BMF-Schreiben verstößt gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Ein schützenswertes Vertrauen des Steuerpflichtigen ist nur dann gegeben, wenn als Vertrauensgrundlage eine gesicherte, für die Meinung des steuerpflichtigen sprechende Rechtsauffassung bestanden hat und die Rechtslage nicht als zweifelhaft erschien. Hier bestand eine solche zweifelsfreie Rechtsauf­fassung nicht. Dessen Legalität ist vielmehr von Teilen des Schrifttums und der finanzgerichtlichen Rechtsprechung schon frühzeitig in Frage gestellt worden.

Zeitgleich mit der Abfassung des Schreibens hat der Bundestag das Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechtsüberlassungen be­schlossen. Dann aber steht es der Finanzverwaltung nicht zu, die bisherige Verwaltungspraxis unter Berufung aus Vertrauensschutzgesichtspunkten fortzusetzen.

Für Fragen rund um Sanierungen steht Ihnen unser Experte, Herr RA Dr. Exner, jederzeit gerne zur Verfügung.


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