In seiner Entscheidung vom 26. März 2015, Az. 2 AZR 483/14, hatte sich das Bundesarbeitsarbeit damit zu beschäftigten, ob ein Arbeitnehmer eine Kündigung entgegen nehmen muss und wann eine Kündigung unter Anwesenden zugegangen ist. Das BAG judizierte, dass der Arbeitnehmer die Entgegennahme rechtserheblicher Erklärungen, die sein Arbeitsverhältnis betreffen, wie z.B. Kündigungen, nicht grundlos ablehnen darf.
Sachverhalt der Entscheidung
Der Arbeitgeber präsentiert der Arbeitnehmerin in einer Besprechung in den Geschäftsräumen des Arbeitgebers ein Kündigungsschreiben. Die Arbeitnehmerin verlässt nach der Besprechung den Raum, ohne das Schreiben mitzunehmen. Im Rahmen der erhobenen Kündigungsschutzklage ist insbesondere der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung streitig.
Nach Auffassung des BAG besteht die naheliegende Möglichkeit, dass der Arbeitnehmerin das Kündigungsschreiben noch während der Besprechung zugegangen ist, so dass der Rechtsstreit für die notwendigen Tatsachenfeststellungen an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen worden ist. Stellt sich heraus, dass das Kündigungsschreiben während der Besprechung (noch) nicht tatsächlich in die Verfügungsgewalt der Arbeitnehmerin gelangt und ihr damit nicht unter Anwesenden zugegangen ist, muss die Arbeitnehmerin den Zugang des Kündigungsschreibens dennoch bereits an dem entsprechenden Tag gegen sich gelten lassen, sofern sie dessen Entgegennahme grundlos abgelehnt hat. Lehnt ein Empfänger grundlos die Entgegennahme eines Schreibens ab, muss er sich nach § 242 BGB jedenfalls dann so behandeln lassen, als sei es ihm im Zeitpunkt der Ablehnung zugegangen, wenn er im Rahmen vertraglicher Beziehungen mit der Abgabe rechtserheblicher Erklärungen durch den Absender rechnen musste.
Hintergrund der Entscheidung
Im Arbeitsverhältnis muss ein Arbeitnehmer regelmäßig damit rechnen, dass ihm anlässlich einer im Betrieb stattfindenden Besprechung rechtserhebliche Erklärungen durch den Arbeitgeber bezüglich seines Arbeitsverhältnisses übermittelt werden. Der Betrieb ist typischerweise der Ort, an dem das Arbeitsverhältnis berührende Fragen besprochen und geregelt werden. Ob im Einzelfall tatsächlich mit einer Kündigung zu rechnen war, ist nicht entscheidend.
Im vorliegenden Fall war der Arbeitnehmerin sogar ausdrücklich angekündigt worden, sie solle in der Besprechung eine Kündigung erhalten. Ein berechtigter Grund, die Annahme des Schriftstücks in dieser Situation zu verweigern, ist nicht ersichtlich. Auf ein Verschulden der Arbeitnehmerin kommt es nicht an, so dass auch die Motive für die Ablehnung grundsätzlich keine Rolle spielen. Ein Arbeitgeber darf darauf vertrauen, einem Arbeitnehmer während einer Besprechung im Betrieb eine schriftliche Willenserklärung in Bezug auf das Arbeitsverhältnis übermitteln zu können. Die Pflicht zur Rücksichtnahme auf Seiten des Arbeitnehmers gebietet es, die Entgegennahme solcher Erklärungen nicht grundlos zu verweigern.
Praxishinweise
Im Kündigungsrechtsstreit hat der Zugang der Kündigung entscheidende Bedeutung. Er legt nicht nur den Zeitpunkt der Kündigung fest, sondern ist auch für die gerichtliche Überprüfung einer Kündigung von herausragender Bedeutung.
Eine Kündigungsschutzklage ist binnen drei Wochen seit Zugang der Kündigung zu erheben.
Die Entscheidung zeigt, dass Arbeitnehmer den Zugang einer Kündigung, die im Betrieb persönlich übergeben werden soll, nicht dadurch verhindern können, dass sie die Übernahme des Schreibens ablehnen und den Arbeitgeber auf eine „offizielle” Zustellung des Schreibens über den Postweg verweisen. Wer sich so verhält, muss sich grundsätzlich so behandeln lassen, als wäre ihm die Erklärung an dem betreffenden Tag tatsächlich zugegangen.
Wird etwa einem Arbeitnehmer ein Kündigungsschreiben — etwa als Druckmittel, um damit ein bestimmtes Verhalten zu erzwingen — ohne physische Übergabe lediglich „gezeigt”, wird die Zugangsfiktion nicht ausgelöst, sofern der Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit hat, das Schriftstück in den eigenen Händen zu halten und mitzunehmen.
Wenn Sie von Ihrem Arbeitgeber eine Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses erhalten haben und Sie gegen diese Kündigung vorgehen möchten, ist die Erhebung einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erforderlich. Sofern binnen der 3-Wochen-Frist keine Kündigungsschutzklage erhoben wird, wird die Kündigung wirksam, auch wenn objektiv kein Kündigungsgrund vorhanden war. Vereinbaren Sie daher im Falle einer Kündigung schnellstmöglich einen Beratungstermin mit uns!