Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hatte sich in seiner Entscheidung vom 24. März 2016, Az. IX ZB 32/15 mit der Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen bei einer Zwei-Personen-GmbH zu befassen.
Sachverhalt
An der GmbH waren zwei Gesellschafter (im Folgenden: A und B) zu je 50 % beteiligt. Beide Gesellschafterinnen waren auch die einzigen Geschäftsführerinnen der Gesellschaft und mangels abweichender Regelung im Gesellschaftsvertrag nur gemeinschaftlich zu deren Vertretung befugt (§ 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GmbHG). Da es zwischen beiden bereits kurz nach Gründung der Gesellschaft zu einem Zerwürfnis kam, wurde der Geschäftsbetrieb erst gar nicht aufgenommen.
A stellte einen Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit der GmbH, dem trotz Bestreitens der hierfür angegebenen Forderungen durch B nach Einholung eines Gutachtens durch das Insolvenzgericht etwa ein Jahr später stattgegeben wurde. Die hiergegen von B namens der GmbH eingelegte sofortige Beschwerde wurde vom Beschwerdegericht als unzulässig verworfen.
B lud A daraufhin form- und fristgerecht zu einer Gesellschafterversammlung an den Sitz der GmbH ein, wobei in der Einladung als einziger Tagesordnungspunkt die Abberufung von A als Geschäftsführerin aus wichtigem Grund vorgesehen war. Nur für den Fall, dass der Zutritt zu den Büroräumen am Sitz der GmbH durch den Vermieter in seiner Eigenschaft als Ehemann von A verweigert werden würde, sollte die Versammlung in der Wohnung von B stattfinden.
Obwohl A der Einladung in die Wohnung von B wegen Unzumutbarkeit widersprochen hatte, fand dort in ihrer Abwesenheit die Versammlung statt, in der sie als Geschäftsführerin abberufen wurde. Kurz darauf beantragte B namens der GmbH die Einstellung des Insolvenzverfahrens nach § 212 InsO. Das Insolvenzgericht lehnte den Antrag wegen fehlender Gesamtvertretung der Gesellschaft als unzulässig ab. Auch die hiergegen durch B namens der GmbH eingelegte Beschwerde wurde als unzulässig verworfen. Schließlich legte B für die GmbH Rechtsbeschwerde ein.
Vertretungsmacht in der Insolvenz der Gesellschaft
Der BGH hatte zunächst das Problem, dass die Rechtsbeschwerde namens der Schuldnerin von einer Geschäftsführerin ohne Einzelvertretungsbefugnis eingelegt worden war. Dieses Problem konnte anhand der ständigen Rechtsprechung dahingehend gelöst werden, dass eine Prozesspartei so lange als gesetzlich vertreten gilt, als noch nicht rechtskräftig über einen behaupteten Mangel der Vertretungsbefugnis entschieden worden ist. Danach war die Rechtsbeschwerde der GmbH unabhängig von der Wirksamkeit der Abberufung von A als Geschäftsführerin zulässig.
Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen
Es musste sodann geprüft werden, ob die Abberufung von A wirksam war. Unter welchen Voraussetzungen im GmbH-Recht Beschlussmängel geltend gemacht werden können, richtet sich gemäß ständiger Rechtsprechung nach den §§ 241 ff. AktG entsprechend. Hierzu sei erforderlich, dass das Ergebnis festgestellt und verkündet werde, was stets erfüllt sei, wenn ein Versammlungsleiter diese Feststellung treffe.
Zumutbarkeit des Versammlungsortes
Eine weitere Problematik des Falles betraf die Zumutbarkeit des Versammlungsortes. Ein Gesellschafterbeschluss ist entsprechend § 241 Nr. 1 AktG nichtig, wenn ein Einberufungsmangel einer Nichtladung der Gesellschafter gleichkomme. Dies sei der Fall, wenn eine Ladung dem Gesellschafter seine Teilnahme in einer Weise erschwere, die der Verhinderung seiner Teilnahme gleichstehe, da ihm dann die Ausübung dieses unverzichtbaren Gesellschafterrechts ebenso entzogen werde wie im Fall der Nichtladung. An dieser Stelle nahm der BGH die entscheidende Differenzierung am Maßstab des Gesetzeszwecks von § 121 Abs. 5 AktG vor, der die Gesellschafter vor einer willkürlichen Wahl des Versammlungsorts und einer daraus folgenden Beeinträchtigung ihres Teilnahmerechts schützen will.
Danach sind Abweichungen vom Regelfall des Gesellschaftssitzes als Versammlungsort unter bestimmten Voraussetzungen durchaus erlaubt, jedoch dürfen weder der Versammlungsort noch das Versammlungslokal für einen Gesellschafter unzumutbar sein. Hiernach sind Gesellschafterbeschlüsse, die in der Wohnung eines der verfeindeten Gesellschafter gefasst werden, grundsätzlich mit einem zur Anfechtung berechtigenden Verfahrensmangel behaftet.
Die Frage, ob die Einladung in die Wohnung des verfeindeten Gesellschafters darüber hinaus einer Verhinderung der Teilnahme und damit einer Nichtladung gleichkommt, hängt dagegen von den konkreten Umständen des Falls ab, ist aber im Regelfall zu verneinen. Hier kam hinzu, dass die Einladung in die Möglichkeit zur eigenen Einflussnahme auf die Durchführung der Versammlung am Gesellschaftssitz oder an einem neutralen Ort nicht genommen war. Da A keine Anfechtungsklage gegen den Abberufungsbeschluss erhoben hatte und die Anfechtungsfrist zum Zeitpunkt der Entscheidung des Insolvenzgerichts bereits abgelaufen war, war der Beschluss trotz bestehenden Ladungsmangels endgültig wirksam und für alle Beteiligten verbindlich, sofern er förmlich festgestellt worden war.
Praxishinweise
Der Sachverhalt ist ein anschauliches Beispiel für die Probleme, die entstehen können, wenn an einer GmbH zwei Gesellschafter (im Folgenden: A und B) zu je 50 % beteiligt sind und zwischen beiden ein unüberbrückbares Zerwürfnis besteht. In der Entscheidung erarbeitete der BGH u.a. unter welchen Voraussetzungen die Einladung in die Wohnung eines verfeindeten Gesellschafters lediglich einen anfechtbaren Verfahrensmangel und wann sie einen Nichtigkeitsgrund i.S.v. § 241 Nr. 1 AktG (analog) verkörpert. Nur im letzten Fall kommt sie einer Nichteinladung und damit einer Verhinderung des Teilnahmerechts gleich, das er zugleich als unverzichtbares Gesellschafterrecht betonte.
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