Das Kammergericht Berlin hat in seiner Entscheidung vom 24. Februar 2016, Az. 3 Ws (B) 95/16   162 Ss 18/16, beschlossen, dass das Absehen vom Fahrverbot we­gen angedrohter Kündigung des Arbeitsverhältnisses keinen Bestand haben kann, wenn der Tatrichter seine Feststellungen ausschließlich auf die durch ein verlesenes Schreiben des Arbeitgebers untermauerten Angaben des Betroffenen stützt und die Ur­teilsgründe eine kritische Auseinandersetzung, ob sich seine Angaben im Ergebnis le­diglich als durch das Fahrverbot bedingte berufliche Nachteile oder Unbequemlichkei­ten darstellen, vermissen lassen.

 

Sachverhalt der Entscheidung

Gegen den Betroffenen wurde wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen in­nerorts geltenden Höchstgeschwindigkeit um 37 km/h eine Geldbuße von 160 Euro festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Auf seinen auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Einspruch hat das AG T. den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil zu einer Geldbuße von 320 Euro verurteilt. Von der Verhän­gung eines Fahrverbots hat es abgesehen.

Das erstinstanzlich zuständige Amtsgericht ist den auf ein verlesenes Schreiben des Arbeitgebers gestützten Angaben des Betroffenen gefolgt, wonach ihm, dem Be­troffenen, bei Anordnung eines Fahrverbots der Arbeitsplatzverlust infolge Kündigung drohe. Denn er sei als angestellter Physiotherapeut auf seinen Führerschein angewie­sen, weil er laut Arbeitsvertrag ausschließlich Hausbesuche absolviere, zu denen er schwere Massagebänke sowie andere Hilfsmittel transportieren müsse. Diese auswär­tigen Termine könnten weder sein Arbeitsgeber „aus privaten und beruflichen Grün­den“ noch die anderen acht Angestellten „wegen fehlender Kenntnisse“ oder „fehlen­dem Führerschein“ wahrnehmen. Das AG kommt daher zu dem Schluss, dass „die Vollstreckung des Fahrverbots unverhältnismäßig sei und für den Betroffenen aus be­ruflichen Gründen eine unzumutbare Härte bedeuten würde“. Ergänzend sei der Zeit­punkt des Verstoßes „zur Nachtzeit bei üblicherweise sehr geringem Verkehrsauf­kommen zu berücksichtigen“.

Auf Grund dieser Erwägungen hat das AG von der Verhängung des Fahrverbots abgese­hen und die Geldbuße gegenüber der Regelgeldbuße verdoppelt. Hiergegen wandte sich die Amtsanwaltschaft mit der auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsbe­schwerde. Die Amtsanwaltschaft rügte die Verletzung sachlichen Rechts. Auf die Rechtsbeschwerde wurde das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufgeho­ben, die Sache wurde an das AG zurückverwiesen.

Aus den Gründen

Der Rechtsfolgenausspruch des AG hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Senat monierte, dass das AG den Angaben des Betroffenen in Bezug auf die belastenden Aus­wirkungen des Fahrverbots gefolgt ist, ohne sie der hierbei angezeigten besonders kri­tischen Prüfung zu unterziehen. Dies hätte insbesondere im Hinblick auf die singuläre Betrachtung des auf den Führerschein aus beruflichen Gründen Angewiesenseins nahe gelegen. Denn jedenfalls rechtfertigen auch die als Ergebnis der Beweiswürdigung ge­troffenen Feststellungen nicht, vom Fahrverbot abzusehen.

Zur Rechtslage

Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG kann neben einer Geldbuße für eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 StVG, die unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurde, ein Fahrverbot angeordnet werden. Nach der auch von den Gerichten zu beachtenden Vorbewertung des Verordnungsgebers ist eine grobe Pflichtverletzung bei der hier abgeurteilten Verkehrsordnungswidrigkeit indi­ziert, die zugleich ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr offenbart, dass sie regelmäßig zur Anordnung eines Fahrverbots als Denkzettel und Besinnungsmaßnahme Anlass gibt. Diese Bindung der Sanktionspraxis dient der Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer und der Vorhersehbarkeit und Berechenbar­keit der durch bestimmte Verkehrsverstöße ausgelösten Rechtsfolgen.

Die Begründung, trotz des Vorliegens einer groben Pflichtverletzung vom Fahrverbot abzusehen, hielt vorliegend rechtlicher Überprüfung aber nicht stand. Zwar kann von der Anordnung eines Fahrverbots auch dann abgesehen werden, wenn entweder be­sondere Ausnahmeumstände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Betroffenen offensichtlich gegeben sind und deshalb erkennbar nicht der vom Gesetz erfasste Nor­malfall vorliegt oder wenn eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durch­schnittlicher Umstände, die in ihrer Gesamtheit eine Ausnahme zu begründen vermö­gen, oder wenn durch die Anordnung eines Fahrverbots bedingte erhebliche Härten oder gar eine Härte außergewöhnlicher Art eine solche Entscheidung als nicht gerecht erscheinen lassen, wie etwa den Verlust des Arbeitsplatzes bei einem Arbeitnehmer oder dem Existenzverlust bei einem Selbstständigen.

Dem tatrichterlichen Beurteilungsspielraum sind jedoch der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit wegen enge Grenzen gesetzt und die gerichtlichen Feststellungen müssen die Annahme eines Ausnahmefalls nachvollziehbar erscheinen lassen. Hierbei ist auch in Rechnung zu stellen, dass einem Betroffenen zuzumuten ist, durch eine Kombination von verschiedenen Maßnahmen (Einstellung eines Fahrers, Benutzung anderer Verkehrsmittel usw.) die Zeit eines Fahrverbots zu überbrücken und für die fi­nanziellen Belastungen notfalls einen Kredit aufzunehmen.

Nach diesen Grundsätzen lassen die Urteilsgründe die erforderliche Abwägung vermis­sen und belegen nicht, dass das Fahrverbot für den Betroffenen eine ganz außerge­wöhnliche Härte darstellen würde.

Diese Entscheidung zeigt einmal mehr, dass die Rechtsprechung zum Absehen von ei­nem Fahrverbot streng ist. Hier ist eine versierte Verteidigung gefragt, um diesen ho­hen Anforderungen der Rechtsprechung gerecht zu werden. Auf diesem Gebiet sind wir erfahren. Aus unserer Kanzlei steht Ihnen hierzu Frau Rechtsanwältin Nadine Kanis gerne zur Verfügung!


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