Rechts-Journal zu Gesetzesänderungen, interessanten Urteilen und Wissenswertem aus dem Anwaltsalltag


In einem Kündigungsschutzprozess besteht grundsätzlich kein Verwertungsverbot in Bezug auf solche Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen. Das gilt auch dann, wenn die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts steht (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29. Juni 2023 – 2 AZR 296/22 -).

Mit am 20.06.2023 veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, mit der sich der Beschwerdeführer gegen die gerichtliche Festsetzung eines Bußgeldes wegen einer vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung wendet. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts wurde die Geschwindigkeitsmessung mit Hilfe des von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zugelassenen mobilen Geschwindigkeitsmessgeräts des Typs Leivtec XV3 durchgeführt. Der Beschwerdeführer sieht sich insbesondere in seinem aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) folgenden Recht auf ein faires Verfahren verletzt, weil das eingesetzte Messgerät keine sogenannten „Rohmessdaten“ speichere und damit im Bußgeldverfahren ein nicht überprüfbares Geschwindigkeitsmessergebnis verwertet worden sei (Beschluss des BVerfG vom 20. Juni 2023, Az. 2 BvR 1167/20).

Am 02.07.2023 ist das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG)) in Kraft getreten. Ziel des Gesetzes ist, dass hinweisgebende Personen, sogenannte Whistleblower, einfacher und ohne Angst vor Repressalien auf Rechts- und Regelverstöße in Unternehmen aufmerksam machen können.

Kern des Gesetzes ist die Einrichtung von internen Meldestellen in Unternehmen ab 50 Beschäftigten, an die sich hinweisgebende Personen wenden können, wenn sie im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer solchen Informationen über Verstöße erlangt haben. Die interne Meldestelle muss die eingehenden Hinweise prüfen und geeignete Folgemaßnahmen einleiten. Die Hinweisgeber müssen vertraulich behandelt werden.

 

Wer in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Kündigung während der gesamten Kündigungsfrist der Arbeit aufgrund eingereichter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen fernbleibt, muss damit rechnen, dass er unter Umständen keine Entgeltfortzahlung beanspruchen kann. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (Urteil vom 2. Mai 2023, 2 Sa 203/22) hat in Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. September 2021 (5 AZR 149/21) den Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in einer Gesamtbetrachtung aller Indizien als erschüttert angesehen. Im Rahmen der erforderlichen Beweisaufnahme konnte die Klägerin das Gericht nicht von ihrer Arbeitsunfähigkeit überzeugen (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 02.05.2023 - 2 Sa 203/22).

Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Aufgrund dieser gesetzlichen Pflicht kann der Betriebsrat die Einführung eines Systems der (elektronischen) Arbeitszeiterfassung im Betrieb nicht mithilfe der Einigungsstelle erzwingen. Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG besteht nur, wenn und soweit die betriebliche Angelegenheit nicht schon gesetzlich geregelt ist (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.09.2022, 1 ABR 22/21)

Der Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, kann die – vom Arbeitgeber widerlegbare – Vermutung iSv. § 22 AGG begründen, dass die Benachteiligung, die der schwerbehinderte Mensch erfahren hat, wegen der Schwerbehinderung erfolgte. Zu diesen Vorschriften gehört § 168 SGB IX, wonach die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts bedarf (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 2. Juni 2022, Az. 8 AZR 191/21).

Energiesparen ist in aller Munde und macht auch bei Unternehmen nicht halt. Daher überlegen bereits erste Arbeitgeber, wieder mehr Homeoffice einzuführen, um am Arbeitsplatz Energie zu sparen. Dürfen das Unternehmen so einfach?

Die Städte, Kreise und Gemeinden haben in den letzten beiden Jahren vielfach Quarantäne für Bürgerinnen und Bürger angeordnet, die Kontakt zu Corona-infizierten Personen hatten, auch wenn bei ihnen selbst keine Krankheitssymptome vorlagen.

Deutschland muss zum 31.07.2022 die Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (kurz Nachweisrichtlinie) in nationales Recht umsetzen. Das Umsetzungsgesetz ist am 23. Juni 2022 vom Bundestag verabschiedet worden und am 8. Juli 2022 vom Bundesrat bestätigt worden. Es wird bereits am 1. August 2022 in Kraft treten.

Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass bei Rotlichtverstößen mit einem so genannten Sport Utility Vehicle (SUV) eine Erhöhung der Regelgeldbuße angemessen sein kann (Amtsgericht Frankfurt am Main, Urt. v. 03.06.2022, 974 OWi 533 Js-OWi 18474/22).

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